1000€ STRAFE FÜR VERWEIGERTEN HANDSCHLAG

Ein muslimischer Polizist, der 2017 bei einer Feier einer Kollegin in Rheinland-Pfalz nicht die Hand reichte, sondern sich vor ihr mit der Hand auf dem Herzen verneigte wurde nun abgestraft und auf Kurs gezwungen. Hurra?

[Antikes Grabrelief]

So ist also jener deutsch-muslimische Polizist, der bei einer Feier einer Kollegin den Handschlag verweigert hatte gemaßregelt und zu 1000€ Strafe verurteilt worden:

Der Beamte hatte sich im Mai 2017 bei seiner Beförderungsfeier in Montabaur nur mit der Hand auf dem Herzen verbeugt, statt einer Kollegin die Hand zu geben. Damit kam er bundesweit in die Schlagzeilen.

Da der Beamte auf Lebenszeit weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet war, könnte er nur entlassen werden, wenn er an seiner bisherigen Haltung festhielte, erklärte das Polizeipräsidium. Der Polizist habe aber eine Erklärung unterschrieben, wonach er sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekenne und Frauen ohne Ausnahme und Vorbehalte als gleichberechtigt ansehe.

Daher werde er allen Frauen als Zeichen der Achtung und in Anerkennung ihrer Gleichberechtigung einen Handschlag nicht mehr verweigern. „Bei einem Verstoß gegen seine Dienst- und Treuepflichten hat er mit der Entfernung aus dem Dienst zu rechnen“, hieß es weiter. (Welt)

Hurra.

Wie auch immer man das Hurra verstehen mag. Je nach Einstellung und Meinung. Hinz mag das großartig finden, Kunz ganz furchtbar… Wie in Konstantin Weckers Lied "Alle haben recht":

und der Müller hat recht,

und der Peter hat recht,

und die Mia hat recht.

Und der Kohl hat recht,

und der Wirsching hat recht.

Und vor allem habe ich

in erster Linie immer recht. […]

Ja, alle haben ihre Meinung, und alle haben Recht – irgendwie, irgendwo; auch bei der Frage, ob es in Deutschland (Schweiz, Österreich…) Staatsbediensteten muslimischen Glaubens erlaubt sein soll, den Handschlag zu verweigern. Aber zwischen Meinungen ist eine sinnvolle Diskussion schwierig, wenn sie die einzige Grundlage für Verurteilungs- bzw. Verteidigungsreflexe sind. Überhaupt in Zeiten, wo bestimmte Meinungen zum unreflektierten Erkennungscode "rechter" bzw. "linksgrüner" Gruppen geworden sind: Hast du diese… Meinung, gehörst du zu uns; teilst du sie nicht, bist du verblödet, verkommen, verachtenswert… (vgl. dazu meinen früheren Beitrag).

Darum zurück auf den Boden. Im vorliegenden Fall hat der Beamte das Händeschütteln nicht einfach verweigert, sondern stattdessen eine – für ihn und für jeden, der das nicht eng sehen will – gleichbedeutende und gleichwertige Geste gewählt, die seinem Glauben entspricht: sich mit der Hand auf dem Herzen vor der Kollegin verbeugt. Auch orthodoxen Juden ist das Händeschütteln zwischen Menschen verschiedenen Geschlechts verboten. Wie die Geschichte wohl verlaufen wäre, wenn er kein Muslim, sondern Jude wäre? Oder ein Asiate, der sich mit vor der Brust gefalteten Händen vor ihr verbeugt hätte? Es ist kaum vorstellbar, dass nicht die Reaktion aller Anwesenden ein wohlwollendes Lächeln gewesen wäre. Aber ein Muslim, der eine europäische Sitte nicht übernimmt ist automatisch hochverdächtig – als nicht integrationswillig, das heißt: als halber Dschihadist. So war es vorhersehbar, dass weder seine Behörde noch seine Gewerkschaft noch seine Kollegen sich hinter jenen Polizisten gestellt und gesagt haben: "Mama mia, sind zwei Respektsbekundungen aus verschiedenen Kulturkreisen nicht gleichwertig? Sollte die eine tatsächlich unangebracht 'bei uns' sein und für Beamte ausdrücklich verboten (andernfalls ein noch so korrekter Beamter zu entlassen sei)? Geht's noch?"

Was aber die Liebe giebt…

Was von jedem Beamten selbstverständlich zu erwarten sein muss, ist, dass er "sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekenne und Frauen ohne Ausnahme und Vorbehalte als gleichberechtigt ansehe." Wie das von jedem anderen Bürger zu erwarten ist. Ohne diese Grundeinstellung wäre es ihm wohl kaum möglich, die Verfassung und alle von ihr abgeleiteten Gesetze im Dienst durchzusetzen (daher die Bezeichnung Exekutive). Bei jener Art Händedruck war das aber sachlich-faktisch etwas ganz Anderes: Er ist keine Exekution irgendeines Gesetzes, sondern Ausdruck der persönlichen Wertschätzung. Das erkennt man sofort, wenn man sich fragt: Wäre denn ein Händedruck mit geheucheltem Grinsen und geballter linker Faust im Hosensack besser als eine ehrlich gemeinte, gleichbedeutende Geste, wenngleich aus einer anderen Kultur? Das Entscheidende bei einer solchen Geste ist, dass sie von innen kommt. "Was aber die Liebe giebt und der Geist, das läßt sich nicht erzwingen", schrieb Hölderlin treffend.

Eine Geste der Wertschätzung: ist sie nicht der Inbegriff von etwas, "was aber die Liebe giebt und der Geist"? Was der Staat zwar verordnen und erzwingen kann – q.e.d. –, aber nur äußerlich? Und dann bei dem betreffenden Beamten garantiert nur gegen seinen Willen, gegen die Liebe und gegen den Geist? Welch ein Pyrrhussieg der Staatsmacht über das Individuell-Menschliche!

In der ganzen fruchtlosen Prinzipien-Schattenfechterei um Leitkultur und ob nun der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht geht es ja in Wahrheit gar nicht um diese Fragen. Es geht darum, politisches Kleingeld zu machen. Es geht darum, sich bei bestimmten Wählerkreisen einzuschleimen, um sich ihrer Stimmen zu versichern. Dafür ist – wie auch in Österreich seit Jahren zu beobachten – kein Mittel zu niederträchtig.

Zurück zur Sachgemäßheit: Geistesleben und Rechtsleben

Aber moralische Erwägungen sind wenig hilfreich bei diesem Thema. Was hier wirklich zählt, ist Sachgemäßheit. Das heißt, welcher Maßstab ist welcher Sache gemäß, und welcher nicht? Was ist eine Rechtsangelegenheit, und damit eine Angelegenheit des Staatsapparats? Was muss aber dem freien Individuum überlassen bleiben?

Hölderlin hat das Stichwort gegeben: "Was aber die Liebe giebt und der Geist", der "Garten menschlicher Früchte und Blumen", d.h. alles, was im Inneren des Menschen lebt und nur in bestimmten Situationen ins Äußere tritt, was der Staat ohnehin nicht erzwingen kann weil es gar nicht sichtbar, verifizierbar, evaluierbar ist: das muss allein dem Menschen selbst anheimgestellt bleiben. "Das laß' er unangetastet, oder man nehme sein Gesez und schlag' es an den Pranger!" Oder mit dem bekannten Diktum: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist."

Rechtsrelevant – Angelegenheit des "Kaisers", d.h. des Staates – kann und darf nur sein, was objektiv sichtbar und verifizierbar ist. Eine soziale Geste wie ein Händedruck erfüllt diese Kriterien – aber bloß äußerlich. Wenn sie aber aufs Äußerliche reduziert wird, fällt das einzig Sinnstiftende an ihr weg. Sie wird zur sinnentleerten, wertlosen Konvention. Die mag der Staatsgewalt einfordern, doch was er dabei erhält, ist nur noch die tote Hülle dessen, was in einer beseelten Geste lebt – das, "was Gottes ist". Genau dieses geistige Leben wird solchen Gesten ausgetrieben, wenn sie erzwungen werden. Sie sind dann hohl wie erzwungene Lippenbekenntnisse, und somit vollkommen sinnlos. Nicht nur das; wegen der Reaktionen auf solchen Zwang erreichen sie das Gegenteil dessen, was sie zu beabsichtigen vorgeben: Integration. Denn in welchem Menschen würde sich auch nur ein Funke positiver Emotionen regen, wenn er am Ausdruck seines inneren Lebens (Liebe und Geist) gehindert, aber stattdessen gezwungen wird, Konventionen äußerlich zu folgen, die er aus seinem Innersten ablehnt? Wer verspürt dann auch nur die geringste Sympathie für jene Gesellschaft, die von ihm erwartet, dass er sich ihr annähere? (Und zynischerweise sind es genau dieselben Konsorten, die erst eine äußerliche Anpassung erzwingen wollen, welche i.d.F. über Integrationsunwilligkeit herziehen! Das ist dann wohl eine "selbsterfüllende Prophezeiung" zu nennen…)

Anstatt Kulturrelativismus: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist…

Die ganze Klarheit und Strenge des Gesetzes muss die Grundrechte jedes Bürgers schützen. Niemand hat sich diesbezüglich irgendwelche Extrawürste zu braten – etwa die Rechte anderer Menschen unter Berufung auf seine Religion / seine Weltanschauung u.dgl. zu beschneiden. Hier hat der Multikulti-Fetischismus tatsächlich ein grauenhaftes Chaos und heillose Konflikte verursacht, indem er eben die beiden obigen Bereiche – das individuelle Leben des Geistes bzw. das Rechtsleben – vermischt hat. So haben sich einige besonders radikale Apologeten des Kulturrelativismus dazu verstiegen, sogar grundlegende Menschenrechte als bloß kulturbedingt anzusehen, und da keine Kultur sich einer anderen überordnen dürfe, habe auch keine Gesellschaft das Recht, Menschenrechte als allgemeingültig zu sehen / einzufordern / durchzusetzen. Die demonstrativen Barbareien des IS haben diese Stimmen inzwischen weitgehend verstummen lassen, aber davor konnten sie jahrelang im öffentlichen Diskurs zu jener Spaltung der Gesellschaft beitragen, die rechte Parteien groß werden hat lassen. – Nein, hinsichtlich der Grundrechte darf es kein kulturbedingtes Wenn und Aber geben. Im Rechtlich-Staatlichen muss Gleichheit herrschen, ohne Ansehen der Person (vgl. Grundgesetz, Art. 3; darum wurde Justitia auch oft blind dargestellt).

…und Gott, was Gottes ist."

Davon scharf zu trennen ist alles Kulturelle. Religionen, Weltanschauungen usw. fallen nicht in die Kompetenz des Staates. "Das laß' er unangetastet…" Seine alleinige Aufgabe ist es diesbezüglich, die individuelle Freiheit der Bürger in diesen Fragen zu garantieren und durchzusetzen. Und die Freiheit des Einzelnen hört bekanntlich bei der Freiheit des Anderen auf, also wo es sich um einen Übergriff auf die Freiheitssphäre eines anderen Menschen handeln würde. Ob aus Gier, Rachsucht, religiösem Fanatismus oder was auch immer, ist völlig unerheblich (Gleichheitsgrundsatz im Rechtsleben!). Bis dahin hat niemand, schon gar nicht der Staat in die Freiheit eines anderen Menschen dreinzufunken.

Jedem steht seine Meinung und sein Urteil zu, wenn ein Staatsbediensteter eine – für ihn aufgesetzte oder gar tabuisierte – Höflichkeits- und Wertschätzungsgeste durch eine andere, gleichbedeutende ersetzt, die aus seinem Inneren kommt. Das bei Androhung der Kündigung zu erzwingen, ist aber aus den genannten Gründen 1. sachlich falsch und 2. vollkommen kontraproduktiv. Ein typisches Ergebnis jener populistischen Politik, die sich von den konkreten Menschen völlig entfernt hat und sich selbstreferenziell nur noch um ihre Macht im Kreise dreht.


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ZUR VERTEIDIGUNG DES RECHTSSTAATS

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Am 19. Februar 2025 haben sechs Bürgerrechtsorganisationen eine gemeinsame Erklärung zur anstehenden Bundestagswahl veröffentlicht: "Gegen die Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat!" Die dort geäußerten Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit teile ich ohne Einschränkung: die Infragestellung der Grund-/Menschenrechte, martialische Law-and-Order-Forderungen, exekutiven Ungehorsam (also die Strategie, Gerichtsentscheide schlicht zu ignorieren)

By Hanspeter Rosenlechner