BERTELSMANN-POPULISMUSBAROMETER 2018: KNAPP VORBEI IST AUCH DANEBEN
Als ich heute morgen das Ergebnis der Umfrage zum Bertelsmann-Populismusbarometer las, fragte ich mich sofort: Was verstehen die unter "Populismus"? Und welche Fragen haben die gestellt, um das mit einem "Barometer" zu quantifizieren?
Mein Argwohn wurde nach kurzer Recherche bestätigt. Sehen Sie selbst:

- "Die Bürger sind sich oft einig, aber die Politiker verfolgen ganz andere Ziele." – Soll das heißen: Wenn sich die Bürger tatsächlich weitgehen einig sind wie z.B. bei TTIP oder Glyphosat, ihre einhellige Meinung von der Politik aber ignoriert wird – ist das dann ein Indiz für eine populistische Einstellung?
- "Mir wäre es lieber von einem einfachen Bürger politisch vertreten zu werden als von einem Politiker." – Wenn ich es für besser halte, dass Normalbürger anstelle von Parteisoldaten bestimmt werden, um meine politischen Anliegen zu vertreten, bin ich dann populistisch eingestellt? (Dass es ausgezeichnete Alternativen zum Wahlverfahren gibt, etwa das Losverfahren kommt in diesen Denkmodellen sowieso nicht vor.)
- "Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wähler, ihre Ansichten interessieren sie nicht." – Also bitte: Von den USA kriegen wir das ja derzeit in seiner schlimmsten Form vorgeführt! (Und das sehe nicht nur ich so.) In Europa befinden wir uns noch in einem Frühstadium dieser Entwicklung. Ich kann mich aber dieses Eindrucks nicht erwehren, wenn ich das zynisch-opportunistische Taktieren der derzeitigen Regierungen in Deutschland, Österreich, Italien… bei den heißen Themen erlebe… Bin ich deshalb populistisch eingestellt?
- "Die politischen Differenzen zwischen den Bürgern und Politikern sind größer als die Differenzen der Bürger untereinander." – Wenn man auch noch gefragt hätte, ob die sie größer sind als die Differenzen der Politiker untereinander" (Merkel, Seehofer…), dann hätte das zumindest für Erheiterung gesorgt. Aber Spaß beiseite, die Frage ist nur eine Variante der ersten.
- "Wichtige Fragen sollten nicht von den Parlamenten, sondern in Volksabstimmungen entschieden werden." – Wie in der Schweiz. Sind die Schweizer also seit Jahrhunderten hartnäckige Populisten? Und überhaupt, was sind "wichtige Fragen"? Ich vertrete in diesem Blog unermüdlich meine Überzeugung, dass die wichtigsten, nämlich die Existenzfragen der Menschheit und die fundamentalen Grundrechtsfragen nicht an die Politik delegiert werden dürfen. Das sind die wirklich wichtigen Fragen. Und wenn wir die an die Politik delegieren, dürfen wir uns nicht beschweren, dass Regierungen wie in den USA, Ungarn, Polen, Österreich, Italien… sie i.d.F. nach ihrem Werteverständnis beantworten.
- "Die Politiker im Bundestag sollten immer dem Willen der Bürger folgen." – Das soll per se ein Indiz für populistische Einstellung sein? Heißt das im Umkehrschluss, wenn die Politiker den Willen der Bürger immer missachten würden, wäre das ein Indiz für eine funktionierende Demokratie? Wenn die Abgeordneten keiner Parteiräson, keinem Klubzwang u.ä. folgen müssten, sondern ausschließlich ihrer Vernunft und ihrem Gewissen folgen könnten, hätten wir dieses Problem gar nicht.
- "Die Bürger in Deutschland sind sich im Prinzip einig darüber, was politisch passieren muss." – Tja, das kommt aufs Thema an (vgl. Frage 1). Aber davon abgesehen, wissen das denn die Politiker selbst? Die, die von den Bürgern extra deshalb delegiert wurden? Herrscht nicht bei den dringendsten und wichtigsten Problemen politische Uneinigkeit, wenn nicht sogar Ratlosigkeit? Sollten nicht diese Probleme anstatt aufgrund von parteipolitischen Erwägungen auf sachlicher Basis (Kompetenzen) delegiert werden können?
- "Was man in der Politik 'Kompromisse' nennt, ist in Wirklichkeit nichts Anderes als Verrat der eigenen Prinzipien." – Kompromisse wie die zwischen Merkel, Seehofer und Nahles bzgl. der Zukunft von Herrn Maaßen? Wer hat hier irgendwelche Prinzipien außer um jeden Preis an der Macht zu bleiben? War die SPD-Basis in dieser Frage populistisch eingestellt?