DAS BILDUNGSWESEN AM GÄNGELBAND ILLIBERALER DEMOKRATEN

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Die künftige österreichische Mitte-rechts/ganz-rechts-Regierung ist noch gar nicht im Amt, beginnt sie schon mit der Demontage des Bildungswesens. Religion, Kultur, Presse und die übrigen Säulen des gesellschaftlichen Geisteslebens werden folgen. Die FPÖ-Statements und -Ankündigungen der Vergangenheit lassen Schlimmes erwarten. Explizit „illiberale“ Demokrat(i)en haben es schon vorgemacht.

In einer lesenswerten Polemik führt STANDARD-Redakteurin Lisa Nimmervoll die Abwegigkeit jenes Vorstoßes vor Auge – Auflösung und „Neudefinition” des Bundesinstituts für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des Bildungswesens (BIFIE; was bitte kann eine „Neudefinition“ wissenschaftlicher Bildungs-Evaluierung bedeuten?!), verordneter Ethik- als Ersatz für Religionsunterricht, verordnetes Sitzenbleiben bis die (v.a. zugewanderten) Schüler die Kulturtechniken ausreichend beherrschen, verordnete Benotung anstelle verbaler Beurteilung etc. etc.

Sicher hat die bisherige Praxis der verbalen Beurteilung ihre Schwächen. Sicher haben (v.a. zugewanderte) Schüler markante Schwächen bei den Kulturtechniken. Sicher ist eine Freistunde nicht die optimale Alternative zum Religionsunterricht… Nach 26 Jahren Unterrichtstätigkeit in einer selbstverwalteten Schule, die (vorwiegend) erfolgreich (weitgehend) ohne Noten arbeitet (Waldorf, what else) darf man davon ausgehen, dass ich da auch meine Meinung dazu habe. Diese und dass sie sich von den Regierungsplänen diametral unterscheidet, ist aber nicht der Punkt.

Die Kritik an den Vorhaben kommt derzeit von Andersdenkenden, weil sie eben andere Überzeugungen vertreten. Wären sie der selben Meinung wie die Regierung, würden sie sich gar nicht drum kümmern. Es wird zwar zurzeit kritisiert, dass die künftige Regierung das Bildungswesen so und so prägt; es wird aber das eigentliche, systemische Problem dabei nicht erkannt: dass jede Regierung das tut, tun kann— je nach ihrem jeweiligen Standpunkt, ihrer Meinung, Ideologie… Das System ist das Problem, nicht die falschen Leute mit den falschen Überzeugungen in den falschen Positionen. Denn sie hätten keinen Einfluss ohne das System. Es verschafft ihnen erst ihre Macht, und nur wer Macht hat, kann sie ggf. missbrauchen.

Hierin wird die eigentliche Crux deutlich: nicht die Richtung, in die das Bildungswesen gerade gesteuert wird, sondern dass jede Regierung es in jede beliebige Richtung steuern kann. Ob es in die pädagogisch, ideologisch, ethisch oder sonstwie „richtige” oder „falsche” Richtung gelenkt wird, ist nur eine Frage der Überzeugung, ist sekundär, weil das eigentliche Problem darin besteht, dass das Schulwesen überhaupt politisch nach Gutdünken gesteuert werden kann. Damit ist pure Glückssache, ob es zufällig von der (je nach Überzeugung) „richtigen” Regierung in die (je nach Überzeugung) „richtige” bzw. von der (je nach Überzeugung) „falschen” Regierung in die (je nach Überzeugung) „falsche” Richtung geschoben wird – in der einen Legislaturperiode nach rechts, in der nächsten nach links, dann wieder, je nach Lust und Laune der politischen Götter irgendwohin…: da liegt der Hund begraben.

Worin kann also eine grundlegende Lösung der eingangs umrissenen Problematik bestehen? Darin, nicht nur die falsche (?), sondern jegliche Regierung systemisch daran zu hindern, irgendwiein das Bildungswesen hineinzuregieren. Dann kann auch keine falsche Regierung irgendwelche hirnrissigen Entscheidungen bzgl. der Schulen treffen. Nur so kann sich das Bildungswesen allein nach pädagogischen Gesichtspunktenselbst organisieren – anstatt nach rechten, linken, marktwirtschaftlichen, sozialistischen, katholischen, islamischen, antireligiösen… Ideologien. Davor, am Gängelband in eine falsche Richtung gezogen zu werden können die Schulen nur bewahrt werden, wenn sie vor jeglicher Gängelung geschützt werden, egal ob sie politisch weltanschaulich, religiös… ist.

Dann kann es systemisch nicht zu der Situation kommen, dass ein Zahntechniker und ein Jurastudent (mit senkrecher Politkarriere, zugegeben) darüber entscheiden, wie das Bildungswesen eines Landes beschaffen sein, evaluiert und weiterentwickelt werden soll. Dann kann es systemisch nicht dazu kommen, dass nationalistische, islamische, jüdische, evangelikale… Fundamentalisten – demokratisch legitimiert!!!  –  das Bildungswesen nach ihren Ideologien steuern. Dann kann es systemisch nicht dazu kommen, dass den Heranwachsenden Nationalismus, Hass, Rassismus, Intoleranz, Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Geschichtsverfälschung… suggeriert und oktroyiert werden.

Das Bildungswesen wird gegen solche Pervertierungen systemisch allein dadurch resilient, dass es jeglicher Gängelung von außen entzogen wird. Der gesetzliche Rahmen muss die Menschenrechte garantieren, und zwar ohne Ansehen der Person und ohne Ansehen irgendwelcher Weltanschauungen, Religionen…; mehr braucht es nicht. Wie an den Schulen die Pädagogik gestaltet, evaluiert und weiterentwickelt wird, darf man getrost der Kompetenz und Erfahrung der Lehrkräfte überlassen  – anstatt Zahntechnikern, Juristen und ähnlichen „Spezialisten”, deren einziges Spezialgebiet ihre eigene Politkarriere ist. Keine wie auch immer geartete weltanschauliche – politische wie religiöse – Beeinflussung (Gleichschaltung) hat im Bildungswesen etwas verloren.

Die Staatsmacht hat nur im Rechtsleben ihren Platz; nur dort braucht es GLEICHHEIT.

Die einzige grundlegende Lösung für das Bildungswesen heißt FREIHEIT.

(Alles Weitere hierzu detailliert in FGB.)

Fußnote, 1 Tag später 😄

Und in der SZ


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