DER FROSCH IM HEISSEN WASSER: SO BLÖD IST NUR DER MENSCH

DER FROSCH IM HEISSEN WASSER: SO BLÖD IST NUR DER MENSCH

FATALISMUS IST KEINE OPTION, WENN ES UMS ÜBERLEBEN GEHT

Es gibt nicht nur mehr oder weniger wichtige Entscheidungen. Es gibt diewichtigste, weil existenzielle für die Menschheit: Wollen wir, dass es unsere Spezies in Zukunft noch gibt? Der Philosoph Hans Jonas nannte diese Entscheidung  „den ersten Imperativ: dass eine Menschheit sei." Derzeit können zwei Dinge die Menschheit bedrohen: ein Atomkrieg und die Klimaerwärmung.

Die nukleare Bedrohung ist klar: ein Blitz, und die Apokalypse ist ausgelöst. Aber die Klimaerwärmung? Ist die wirklich so bedrohlich? Der Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber verglich ihre Auswirkungen mit denen eines Asteroideneinschlags. Ich glaube, dass uns das nur deshalb nicht spontan einleuchtet (und uns i.d.F. nur deshalb nicht zu den notwendigen radikalen Entscheidungen veranlasst) weil sie in Zeitlupe passiert. Man kann dem Sekundenzeiger auf der Uhr zuschauen, wie er voranschreitet. Beim Minutenzeiger tut man sich da schon schwer. Beim Stundenzeiger geht das gar nicht mehr. Und beim Klima reden wir nicht von Sekunden, Minuten oder Stunden, sondern von Jahrzehnten. Das meine ich mit "Zeitlupe". Die Kettenreaktion des Atomblitzes, die sich in Sekundenbruchteilen abspielt, und die schleichende Klimaerwärmung markieren für die Selbstauslöschung der Menschheit die zwei Extreme auf der Zeitachse.

Schellnhuber rückt die Unterscheidung zwischen wichtig und überlebenswichtig bildhaft in die richtige Perspektive:

„Man könnte die Situation mit einem leckgeschlagenen Schiff auf hoher See vergleichen. Natürlich gibt es auch neben dieser Havarie Probleme: Das Essen in der dritten Klasse ist miserabel, die Matrosen werden ausgebeutet, die Musikkapelle spielt deutsche Schlager, aber wenn das Schiff untergeht, ist all das irrelevant. Wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen, wenn wir das Schiff nicht über Wasser halten können, brauchen wir über Einkommensverteilung, Rassismus und guten Geschmack nicht mehr nachzudenken.” (
SZ

)

Natürlich sind viele heiß diskutierte Probleme nicht "unwichtig". Angesichts der globalen Existenzbedrohung der Menschheit rücken sie aber in den Hintergrund. Und in Anbetracht der Art und Weise, wie derzeit auf diese Bedrohung durch die Politik reagiert bzw. nicht reagiert wird, macht die Frage akut: Dürfen wir die Entscheidung, ob es künftig noch eine Menschheit geben wird oder vielleicht doch nicht Politikern mit zweifelhaftem Charakter delegieren? Eigentlich eine rhetorische Frage. Dennoch, die Bürger verhalten sich apathisch wie manche Psychiatriepatienten in der geschlossenen Abteilung, bei denen Beruhigungsmittel und jahrzehntelanges Eingesperrtsein jeden Gedanken an die Möglichkeit einer Veränderung ihrer Situation schon lange ausgelöscht haben.

Viele Zeitgenossen verweisen auf das Prinzip der repräsentativen Demokratie: Man müsse eine Wahlentscheidung eben auch dann akzeptieren, wenn sie einem nicht passe. Und bis zur nächsten Wahl bedeutet das: die Regierung hat die Legitimation, die Politik zu bestimmen. Die Linken maulen, wenn die Rechten umfärben und schalten und walten können; die Rechten maulen, wenn das die Linken tun… "Pech, so sind die Spielregeln eben in der repräsentativen Demokratie."

Aber dieses Spiel hat seine Grenzen: wenn es nämlich ernst wird. Wenn es um existenzielle Bedrohungen der Menschheit wie die Klimaerwärmung oder einen Atomkrieg geht, dürfen wir die Entscheidungen nicht mehr der Unvernunft und dem kurzsichtigen politischen Opportunismus gewählter Politiker überlassen. "Pech, dumm gelaufen!" ist da keine Option. Eine Auslöschung der Menschheit ist durch das Modell repräsentative Demokratie nicht gedeckt. Eine solche Apokalypse kann durch nichts, rein gar nichts legitimiert werden.

Niemand hat unter Berufung auf irgendeine demokratische Legitimation das Recht, unsere Zukunft zu zerstören, niemand! Daraus kann es nur eine Konsequenz geben: Die Bürger dürfen ihre fundamentalen existentiellen Interessen – „den ersten Imperativ: dass eine Menschheit sei“ (Hans Jonas) – nicht mehr den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft überlassen. Sie müssen selbst darüber entscheiden, basisdemokratisch. Und den Entscheidungsträgern damit die Grenzen ihrer Befugnisse aufzeigen. Die Bürger machen als Souveräne von ihrer Macht Gebrauch und bekunden demokratisch ihren Willen. Und Souveränität heißt: nichts steht über diesem Willen. Er ist die höchste Macht im Staat, und es gibt keine Macht über ihm.

Diese Grundsatzentscheidung darf weder von einer Regierung noch von den volatilen Mehrheitsverhältnissen im Parlament im Nachhinein revidiert werden. Alle Folgebeschlüsse dürfen diesem „ersten Imperativ“ nicht widersprechen. Er hat absolute Priorität. Auf diesem gesellschaftlichen Basiskonsens muss alles Weitere aufbauen, müssen alle Gesetze usw. abgeleitet werden. Mit der Umsetzung können dann Politiker beauftragt werden.

Das widerspricht jedem bisherigen Verständnis von Demokratie. "Volksentscheid" hieß bislang: Wenn die Bürger beraten und entschieden haben, ist das Ergebnis ein Vorschlag für die Regierung. Da sie gewählt ist, legitimiert sie das, eigenständig zu entscheiden, ob sie den Vorschlag der Bürger übernimmt oder ihn ablehnt. Meist beschließt sie ja auch, was eine große Anzahl der Bürger will (denn auch hier das taktische Kalkül: wenn wir es nicht tun, kann uns das die Reigierungsmehrheit kosten?) Aber nicht zwingenderweise; die Regierung ist auch berechtigt, anders zu entscheiden.

Genau dieses Recht einer Regierung, sich über Volksentscheide hinwegzusetzen muss ihr in diesem Fall entzogen werden. Dass eine Regierung willkürlich entscheiden kann, nichts / nicht genug gegen den Klimawandel zu tun (oder gar, ihn zu leugnen): das steht in Anbetracht der fatalen Konsequenzen keiner Regierung dieser Welt zu. Darum ist es für die Menschheit eine Überlebensfrage, dass alle Betroffenen über "den ersten Imperativ: dass eine Menschheit sei" selbst entscheiden. Die überwältigende Mehrheit der Menschheit wird sie wohl bejahen. Vielleicht sind das die bekannten 99%, all die bislang nie Berücksichtigten, die dann dem 1% der Eliten gegenüberstehen, die ihre GeldMacht und die ihrer Klientel über das Gemeinwohl stellen. Doch damit ist dann Schluss.

Ich rufe zu einer landesweiten Initiative auf, die zum Ziel hat, "den ersten Imperativ: dass eine Menschheit sei" in Verfassungsrang zu erheben. Dieser erste Imperativ ist durch eine Ewigkeitsgarantie gegen jede Aufweichung oder Abschaffung zu schützen. Das heißt, das Grundgesetz / die Verfassung ist folgendermaßen zu ergänzen: "Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche der erste Imperativ: dass eine Menschheit sei berührt wird, ist unzulässig."

"Aber geht denn das überhaupt? Dürfen wir das denn?" – Ja, was ist denn die Alternative? Dass die Menschheit untergeht weil wir lethargisch zugeschaut haben bis es zu spät ist? Ihr kennt vielleicht die Geschichte vom Frosch im Kochtopf. Wirft man ihn direkt ins heiße Wasser, springt er sofort wieder heraus, heißt es. Gibt man ihn ins kalte Wasser und erhitzt es langsam, merkt er nicht, wann die kritische Temperatur für ihn erreicht ist und verkocht. – So saublöd ist natürlich kein Frosch; die Geschichte ist pure Erfindung. So blöd ist nur der Mensch. Nur er verharrt durch seinen völligen Instinktverlust in Situationen, die für ihn schon längst schädlich und gefährlich sind, ohne die notwendigen Schritte zu setzen, etwas daran zu ändern. Dass die Bürger ihre Macht als Souverän an die Politiker abgegeben haben, hat zur Folge, dass die meisten von ihnen jede Initiativkraft verloren haben. Wenn sie nicht überhaupt zu faul sind, sich um irgendetwas zu scheren, was über Brot und Spiele (voller Bauch + Bildschirm) hinausgeht, sind sie zu resigniert, um aufzubegehren. Aber Fatalismus ist keine Option, wenn es ums pure Überleben geht. Es gilt, ohne auf die Erfolgsaussichten zu schielen das Not|wendige zu tun und sich jedesmal, wenn einem nach Aufgeben ist vor Augen zu halten:

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ZUR VERTEIDIGUNG DES RECHTSSTAATS

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Am 19. Februar 2025 haben sechs Bürgerrechtsorganisationen eine gemeinsame Erklärung zur anstehenden Bundestagswahl veröffentlicht: "Gegen die Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat!" Die dort geäußerten Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit teile ich ohne Einschränkung: die Infragestellung der Grund-/Menschenrechte, martialische Law-and-Order-Forderungen, exekutiven Ungehorsam (also die Strategie, Gerichtsentscheide schlicht zu ignorieren)

By Hanspeter Rosenlechner