GLYPHOSAT – DIE TRAURIGE DIALEKTIK

Nun ist das Gift also weitere fünf Jahre zugelassen.* Obwohl Monsanto massiv geschoben und gekauft hat, obwohl nicht gesichert ist, dass es nicht krebserregend ist. Fünf Jahre, mit der Perspektive einer Verlängerung. Viel zu lang für seine Gegner, viel zu kurz für die Industrie, ihre Investoren und deren Lobbyisten.

Vor ein paar Wochen war ein sehr guter Freund bei uns zu Besuch, Uni-Prof in Biochemie. Er sagte: „Ihr ahnt nicht, was nachkommt, wenn Glyphosat verboten wird.“ - „Schlimmeres?“ - „Definitiv Schlimmeres.“

Das hat uns zu denken gegeben.

Einen Kommentar in der SZ von heute Abend (früher hätte ich ihn allein wegen der Überschrift – «Die Neuzulassung von Glyphosat ist richtig» – gar nicht erst beachtet) lese ich deshalb nun mit anderen Augen :

Eine für Mensch und Umwelt verträglichere Landwirtschaft soll her, darin sind sich selbst die meisten Politiker einig. Doch die Idee, ein Verbot von Glyphosat werde diese Landwirtschaft mit einem Schlag erschaffen, war und bleibt naiv. Das ökologisch zweifelhafte, artenfeindliche Agrarsystem unserer Zeit ist nicht auf einem Gift gebaut, sondern auf intensiver Landnutzung, massiver Düngepraxis und dem breitem Einsatz verschiedener Herbizide, Insektizide, Fungizide, von denen Glyphosat nur eines ist.

Es gibt mehr als 250 zugelassene Wirkstoffe im sogenannten Pflanzenschutz, die fast durchweg schlechter untersucht und potenziell gefährlicher sind als Glyphosat, zudem weniger wirksam und teurer. Wäre Glyphosat entgegen der wissenschaftlichen Expertise verboten worden, hätten diese anderen Substanzen das gewaltige Loch stopfen müssen, das der Symbolstoff plötzlich hinterlassen und das die Landwirte existenziell bedroht hätte. Es wären Mixturen nötig geworden, deren Effekte erst recht keiner kennt. Und dann? Insgesamt wäre alles beim Alten geblieben. Bloß noch giftiger.

So schwer es deshalb wohl zu vermitteln ist und so groß der Affront sein mag, den sich Agrarminister Schmidt mit seinem Alleingang geleistet hat: Die Neuzulassung von Glyphosat ist absurderweise der erste Schritt Richtung Agrarwende. Biodiversitätsforscher, Toxikologen und Experten für nachhaltige Landwirtschaft sagen das schon lange: Glyphosat spiele für den Ackerbau eine Rolle, die man nicht ignorieren dürfe – aber zielgerichtet reduzieren müsse; nach und nach, damit praktikable Alternativen entwickelt werden können.

Es geht um einen bewussten Abschied nicht nur von Glyphosat, sondern vom mit Chemie überfrachteten Ackerbau, den niemand mehr will – hin zu einer pestizidarmen, nachhaltigen Landwirtschaft, zu einem sorgfältigen Umgang mit den Ressourcen der Natur.

Das ist dann wohl eine traurige Dialektik der Geschichte…

*) Wie, ist eine machtpolitische Groteske ersten Ranges!

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ZUR VERTEIDIGUNG DES RECHTSSTAATS

ZUR VERTEIDIGUNG DES RECHTSSTAATS

Am 19. Februar 2025 haben sechs Bürgerrechtsorganisationen eine gemeinsame Erklärung zur anstehenden Bundestagswahl veröffentlicht: "Gegen die Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat!" Die dort geäußerten Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit teile ich ohne Einschränkung: die Infragestellung der Grund-/Menschenrechte, martialische Law-and-Order-Forderungen, exekutiven Ungehorsam (also die Strategie, Gerichtsentscheide schlicht zu ignorieren)

By Hanspeter Rosenlechner