ISLAM UND EUROPA: DIE UNENDLICHE DISKUSSION

ISLAM UND EUROPA: DIE UNENDLICHE DISKUSSION

"Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande."

Goethe

Es ist nicht verwunderlich, dass es vielen Menschen inzwischen mit der Islamdiskussion reicht. Sie wollen das Problem Islam / Europa (Deutschland, Frankreich, Österreich…) nicht weiter aufgedröselt und diskutiert, sondern endlich gelöst haben. – Der Haken daran: Das Problem ist nun mal kompliziert. Natürlich kann man viele Gesichtspunkte absichtlich ignorieren, um es scheinbar einfach zu machen, aber die Lebenswirklichkeit richtet sich nicht danach, was man sich über sie einbildet. Sich in die Tasche zu lügen mag behagen, ist aber keine Lösung.

Die einfachste "Lösung": Alle raus! (Aufkleber, irgendwo in Wien)

Die ungeklärte Situation des Islam in Europa wird weder besser, indem man sie beschönigt und eine vorbehaltlose Diskussion darüber tabuisiert, noch indem man sich in simple Scheinlösungen flüchtet. Leider ist die Auseinandersetzung inzwischen so weit eskaliert, dass ein zielführendes Gespräch zwischen diesen beiden "Lagern" kaum noch möglich ist. Von den einen wird man ins rechte Eck gestellt, wenn man das Problem überhaupt beim Namen nennt, von den andern ins linksgrüne Eck beim bloßen Versuch, irgendwas noch zu durchschauen. Was mich betrifft: Ich stehe weder rechts noch links (und ich habe in FGB deutlich gemacht, dass die politischen Parteien ein Auslaufmodell sind, und habe dort – republikanisch-demokratische! – Alternativen dazu aufgezeigt). Wer die folgenden Ausführungen also in eine rechte oder linke oder eine sonstige politische Schublade steckt, hat sie nicht verstanden. – Nun endlich zum Thema.


Was das Thema Islam / Europa so kompliziert macht und die Diskussion darüber so erschwert ist, dass es eigentlich vier Themen oder Ebenen sind:

  • die rechtliche Ebene,
  • die kulturelle Ebene,
  • die persönliche Einstellung, auch zu diesen Rahmen, sowie
  • das persönliche Verhalten inerhalb des rechtlichen bzw. kulturellen Rahmens

Die rechtliche Ebene ist offensichtlich: die geltenden Gesetze eines Landes, die expliziten Regeln, Ge- und Verbote…

Die kulturelle Ebene ist weniger klar und deutlich: die von den Mitglieder dieser Kultur als verbindlich empfundenen gemeinsamen Überzeugungen, Werte, Normen, Pflichten, Tabus… Dieser Kanon ist die Grundlage der o.g. expliziten Gesetze und Regeln.

Die kollektive Kultur wird von ihren Trägern gebildet, d.h. aus individuellen Überzeugungen, Werten, Haltungen gegenüber den allgemeinen Normen, Pflichten, Tabus…

Diese persönliche Ebene ist wiederum die Basis des individuellen Verhaltens im Alltag, das sich im kulturellen und rechtlichen Rahmen abspielt. Es kann mit beiden völlig konform sein, es kann sich aber auch im Konflikt zur Kultur bzw. zur Gesetzeslage befinden.

Grafisch dargestellt:

Vier Quadranten nach Ken Wilber

Erst mit diesen vier Seiten ist die Wirklichkeit vollständig beschrieben. Jede Einschränkung auf nur eine Seite / einen Quadranten ist Reduktionismus. Am fatalsten ist es, wenn dieser eine Aspekt der Gesamtwirklichkeit auch noch als der alleinig richtige / wichtige / gültige / wertvolle… verabsolutiert wird. Das kennen wir von religiösen Fanatikern genauso wie von weltanschaulichen, die allem gegenüber kritisch sind mit Ausnahme ihrer eigenen Überzeugung.

Diese vier Ebenen (und nur sie) umfassen auch alle vier Aspekte der Wirklichkeit. Darum sind sie ein ausgezeichnetes Instrument, um auch die aktuellen kontroversiellen Themen richtig einzuordnen. Ein paar Beispiele:

INTEGRATION

Jeder versteht unter "Integration" etwas anderes. Die einen meinen damit, dass sich Immigranten – gemeint sind Muslime; mit Buddhisten, Hinduisten, Shintoisten, Atheisten, Agnostizisten… gibt es keine Probleme – an die Gesetze halten müssen. Die anderen verstehen unter Integration, dass diese Menschen ihre eigene Kultur und Religion ablegen und quasi stattdessen Rosenkranzbeten und Schuhplatteln lernen sollen. Wieder andere, dass sie ihre persönlichen Werte, Normen, Tabus durch die europäischen ersetzen müssten. In der Öffentlichkeit, quasi demonstrativ, provokativ seine Religion, seine Traditionen, sein Anderssein zur Schau zu tragen: das geht gar nicht. Und so weiter und so fort.

Das Stichwort ist "müssen". Jemand kann nur zu etwas verpflichtet werden, was i.d.F. objektiv überprüfbar ist. Sichtbar, messbar, evaluierbar; in den vier Quadranten alles, was auf der rechten Seite einzuordnen ist. Gesetze und Regeln sind verschriftlicht und jederzeit einsehbar; ob sich eine Person an sie hält, ist sichtbar und überprüfbar. Mit welcher Einstellung. sie das tut, nicht. Was sich im Inneren der Menschen abspielt – den linken Quadranten zuzuordnen –, kann nicht beobachtet und deshalb auch nicht kontrolliert werden. Eine Person kann – etwa durch die Androhung von Sanktionen – genötigt werden, seine Frau nicht zu schlagen, seine Tochter nicht gegen ihren Willen zu verheiraten, Deutsch zu lernen, sich zu vorgegebenen Terminen bei Behörden einzufinden u.dgl. Er kann nicht dazu gezwungen werden, Frauen als gleichwertig und gleichberechtigt anzuerkennen, in seiner Familie und in seinem persönlichen Umfeld Deutsch zu sprechen und den Staat, der ihm all das diktiert zu schätzen. Das alles ist seine Privatangelegenheit, wo ihm – wie jedem anderen Menschen – niemand dreinzureden hat.

Es wäre also ratsam, den Sprachgebrauch an die Realität anzupassen und mit "Integration" nur das zu bezeichnen, was sichtbar, überprüfbar, objektivierbar, den linken Quadranten zuzuordnen ist. Das kann ein Staat, wenn er will, von seinen Bürgern verlangen und erzwingen – von allen Bürgern, ohne Ansehen der Person, also auch egal welcher Religion oder Weltanschauung. Da darf es dann auch kein kulturrelativistisches Wenn und Aber geben, so wie: "Menschenrechte sind ein Produkt unserer Kultur; es steht uns nicht zu, sie über die Maßstäbe anderer Kulturen zu stellen und ihre Einhaltung von deren Angehörigen einzufordern." Abgesehen davon dass dieser Unsinn eine Rechtfertigung jeder religiös begründeten Barbarei ist, beruht er auf einer Vermischung von rechten und linken Quadranten. "Rechts" (d.h. in den rechten Quadranten), im Verantwortungsbereich des Staates, gilt der Gleichheitsgrundsatz: Gesetze gelten für alle gleich, oder sie gelten gar nicht. – Kulturen, Traditionen, gemeinsame Überzeugungen und Grundwerte… sind hingegen "links" (in den linken Quadranten) verortet, im Inneren der Menschen. Das kann nicht in diese oder jene Richtung gezwungen werden, bzw. wer es versucht, schafft einen totalitären Staat religiöser oder ideologischer Prägung.

ASSIMILATION UND LEITKULTUR

Was ein Staat also fordern und erzwingen kann, ist eine Integration im beschriebenen Sinn, nicht eine Assimilation an die Kultur dieser Gesellschaft – an deren mehrheitliche Religion, Grundwerte, Normen, Tabus, Sprache, Traditionen, Bräuche… Das alles – das Leben des Geistes – muss der individuellen Freiheit jedes Menschen überlassen bleiben.

Das gilt auch für die Leitkultur-Debatte. Einem Menschen eine Leitkultur mit mehr oder weniger sanfter Gewalt aufzuzwingen, wie sich das manche vorstellen mag man gut oder schlecht finden: es ist sowieso undurchführbar. Eine Kultur kann niemandem aufgezwungen werden, genausowenig wie man einen Menschen dazu zwingen kann, an Gott zu glauben oder jemanden zu lieben.

Wie schon Hölderlin erkannte: Der Staat darf nicht fordern, was er gar nicht erzwingen kann:

Die rauhe Hülse um den Kern des Lebens und nichts weiter ist der Staat. Er ist die Mauer um den Garten menschlicher Früchte und Blumen. (Hölderlin, Hyperion; die meistzitierten Sätze in meinem Blog).

Wenn eine Kultur zur Leitkultur werden soll, dann darf sie nicht drücken und schieben, dann muss sie ziehen, dann muss sie so attraktiv sein, dass man ihr aus freien Stücken folgen möchte. Es verhält sich mit ihr wie mit der Autorität: Eine echte Autorität ist Autorität und braucht sie deshalb nicht oder nur selten ausüben. Ihr Rang wird ihr von anderen Menschen zugeschrieben. – Angemaßte Autorität hingegen ist eine Selbstzuschreibung. Sie verlangt und erzwingt Nachfolge und Unterwerfung. Sie erreicht damit Angst, aber nicht Achtung, geschweige denn Wertschätzung. Dasselbe erreichen die Verfechter einer Leitkultur, welche sie den Immigranten (Muslimen) mehr oder weniger nachdrücklich aufnötigen wollen. Assimilation findet nur freiwillig und durch die Atraktivität der Mehrheitskultur statt. Eine Assimilation zu verlangen heißt jemanden zu nötigen, seine kulturelle Identität aufzugeben. Was so gut wie immer Anlass zu schwersten Konflikten gibt, erst inneren, psychologischen, und i.d.F. äußeren, gesellschaftlichen.

"DER" ISLAM IN DEUTSCHLAND

"Der Islam" – hier fangen die Probleme schon an. "Den" Islam gibt es in Ermangelung einer Papst-ähnlichen Instanz in dieser Religionsgemeinschaft nicht. Aber weiter.

Der Islam hat wie andere Religionen einschließlich des Christentums einen universalistischen Anspruch. Das heißt, kein Lebensbereich soll außerhalb der Einflusssphäre der Religion sein. Das gilt auch für das individuelle Verhalten der Menschen und – in letzter Konsequenz – für die Strukturen, Regeln und Gesetze eines Staates (rechte Quadranten). Nach der orthodoxen Auffassung sind die vom Koran und anderen Quellen stammenden Gesetze (Scharia) von Gott gegeben. Die Rechte, die ein Mensch hat Allah ihm geschenkt, ergo stehen sie über allen menschengemachten Rechten, einschließlich Menschenrechten. Daher ist das Konzept des Gottesstaats die logische Konsequenz des orthodoxen Islam. (Auf dem selben Weg, nur aufgrund des Katholizismus ist Polen zurzeit, wo Exekutive, Legislative und Judikative massiv von religiösen Impulsen beeinflusst sind. Das hier Gesagte gilt für jede universalistisch und mit Ausschließlichkeitsanspruch auftretende Religion.)

Wie alles andere auf der Welt, auch jede andere Religion hat der Islam die vier oben beschriebenen Seiten:

  • Er ist die individuelle Überzeugung von Menschen, ihr Glaubens- und Wertesystem, ein wesentlicher Teil ihrer Identität, ihres Ich;
  • er schließt Menschen gemeinsamer religiöser Identität zu einer Glaubensgemeinschaft mit gleichen Glaubensinhalten, gleichen Werten, Tabus etc. zusammen; er bildet ein Wir;
  • er prägt die religiöse Praxis der Gläubigen, ihr alltägliche Leben und Verhalten;
  • er prägt nicht nur implizit, wie in säkulären Gesellschaften, sondern explizit die geltenden religiösen und sittlichen Normen, Regeln, Ge- und Verbote, Gesetze, die gesellschaftlichen Strukturen und letztlich auch die politischen Grenzen, mit denen sich ein Gottesstaat von anderen Staaten sichtbar abgrenzt.

Alle vier Aspekte interagieren miteinander:

Dadurch kommt der orthodoxe Islam z.B. salafistischer Prägung logischerweise in Konflikt mit dem Modell eines liberalen, pluralistischen, säkulären Rechtsstaats, dessen politische Instanzen sich klar vom Bereich Religion abgrenzen und jedem Bürger seine religiöse Freiheit ermöglichen. Das heißt, hier muss ein solcher Rechtsstaat einen universalistisch auftretenden Islam in die Schranken weisen. Keine Religion darf sich anmaßen, irgendjemandem seine Überzeugungen, Werte, Normen… aufzuzwingen, geschweige denn Regeln oder Quasi-Gesetze zu beeinflussen oder gar selbst zu erlassen und deren Einhaltung (z.B. mit einer "Scharia-Polizei") zu erzwingen. Solchen Auswüchsen ist schärfstens entgegenzutreten, und zwar nicht bloß aufgrund der persönlichen Meinung, sondern aus der genannten sachlichen Unterscheidung der linken und rechten Quadranten. Aufgabe des Staats ist es, für Sicherheit und Gerechtigkeit zu sorgen und im religiösen Bereich wie im ganzen übrigen Geistesleben die Freiheit jedes Einzelnen zu gewährleisten. "Er ist die Mauer um den Garten menschlicher Früchte und Blumen."

Das erkannte schon der jüdische Philosoph Spinoza im 17. Jahrhundert:

Tractatus theologico-politicus,

ISLAMISCHER GLAUBENSTERROR UND DIE GRENZEN DER TOLERANZ

Der islamische Terrorismus beginnt nicht erst bei Waffen, Bomben, Toten und Verletzten. Er beginnt bereits als Glaubens- bzw. Gesinnungsterror. Mit diesem Begriff bezeichnet man das Vorgehen der Jakobiner im Zuge der Französischen Revolution, die jede abweichende (konterrevolutionäre) Meinung mit Einschüchterung und Gewalt erstickten – ohne zu Zögern auch mittels der Guillotine. Wenn also heute muslimische (oder evangelikale oder hinduistische oder andere) Fundamentalisten meinen, ihren Glauben anderen Menschen aufzwingen zu dürfen / sollen / müssen, beginnt der Glaubensterror. Und bereits da muss er unterbunden werden. Weil genau hier die Grenzen der persönlichen Freiheit überschritten werden.

"Freiheit" bedeutet, dass ich meine religiösen Überzeugungen, mein Glaubens- und Wertesystem nicht nur alleine zuhause im stillen Kämmerlein pflegen darf, sondern dass mir das überall gestattet ist. Wie immer endet die persönliche Freiheit bei der Freiheit des Anderen. Weil der die gleichen Freiheitsrechte hat wie ich. D.h. hier ist die Trennlinie zwischen linken und rechten Quadranten, zwischen individueller bzw. kollektiver Freiheit und dem Rechtsstaat.

Was heute dringend klargestellt werden muss, ist folgendes: Es ist eine der unumstößlichen Säulen unserer Gesellschaft, dass Religion Privatsache ist. Keine Religion hat Gesetze und Regeln zu erlassen. Das steht allein dem Staat zu. Deshalb und nicht bloß aufgrund meiner oder deiner subjektiven Meinung, aufgrund der Überzeugung dieser oder jener Gesinnungsgemeinschaft, aufgrund dieses oder jenes Parteiprogramms ist jeder solche Glaubensterror schon im Ansatz zurückzuweisen. Hier gilt Karl Poppers "Paradox der Toleranz":

„Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.”

Popper grenzt jenen Bereich, wo man durchaus vernünftig diskutieren kann und soll (Geistesleben; LU) klar von der Rechtssphäre (RU) ab:

„Damit wünsche ich nicht zu sagen, daß wir z. B. intolerante Philosophien auf jeden Fall gewaltsam unterdrücken sollten; solange wir ihnen durch rationale Argumente beikommen können und solange wir sie durch die öffentliche Meinung in Schranken halten können, wäre ihre Unterdrückung sicher höchst unvernünftig. Aber wir sollten für uns das Recht in Anspruch nehmen, sie, wenn nötig, mit Gewalt zu unterdrücken ; denn es kann sich leicht herausstellen, daß ihre Vertreter nicht bereit sind, mit uns auf der Ebene rationaler Diskussion zusammenzutreffen, und beginnen, das Argumentieren als solches zu verwerfen ; sie könnten ihren Anhängern verbieten, auf rationale Argumente – die sie ein Täuschungsmanöver nennen – zu hören, und sie werden ihnen vielleicht den Rat geben, Argumente mit Fäusten und Pistolen zu beantworten.“

Diese Sätze, erstmals 1945 in The Open Society and Its Enemies publiziert sind 1:1 auf den fundamentalistisch-politischen Islam des 21. Jahrhunderts übertragbar:

  • Er ist nicht zu einem vernünftigen Dialog bereit,
  • er ist nicht durch die öffentliche Meinung in Schranken zu halten,
  • rationale Argumente zählen für ihn gegenüber seinen universalistischen Ansprüchen nicht;
  • er verwirft das Argumentieren als solches, jedenfalls insofern es sich mit dem Glauben auf eine Stufe stellt oder gar über ihn;
  • er verbietet seinen Anhängern, auf rationale Argumente zu hören weil sie sie nur vom rechten Glauben abbrächten;
  • er gebietet seinen Anhängern, ihren Glauben anderen Menschen mit Gewalt aufzuzwingen und Anders- / Ungläubige zu töten.

Deshalb ist die Konsequenz heute dieselbe, die Popper gezogen hat:

"Wir sollten darum im Namen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen, die Intoleranz nicht zu dulden. Wir sollten geltend machen, daß sich jede Bewegung, die die Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt; und wir sollten eine Aufforderung zur Intoleranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch behandeln wie eine Aufforderung zum Mord, zum Raub oder zur Wiedereinführung des Sklavenhandels."

Wenn ein achtjähriger muslimischer Grundschüler also eine Mitschülerin mit Schlägen und mit dem Tod bedroht weil sie nicht an Allah glaubt, dann ist hier im Nebel kulturrelativistischer Toleranz und Verunsicherung etwas vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Da braucht es nun endlich konkrete Änderungen.

KONKRETE VORSCHLÄGE

  • Eine Gesellschaft sollte Menschen nur dann ein dauerhaftes Bleiberecht und i.d.F. die Staatsbürgerschaft gewähren, die die oben beschriebene Trennung von Religion und Staat akzeptieren. Der Staat sollte seine Verfassung von allen religiösen Inhalten befreien – sie sind 1. außerhalb seiner Kompetenz und 2. ohnehin für Nichtgläubige irrelevant oder sogar störend –, ebenso von allem, was über Grundrechte hinausgeht. Immigration und Bleiberecht sind an die Bedingung geknüpft, diese aufs Essentielle (im Grunde: auf die Menschenrechte) reduzierte Verfassung Punkt für Punkt anzuerkennen. – Nota bene: Es geht hier nicht um eine Anerkennung von Werten, um Religionsfreiheit, um einen Kampf der Kulturen / Religionen oder sonstige Themen des Geisteslebens; es geht um das Rechtsleben. Es geht um die beiden rechten Quadaranten: staatliche Strukturen, Gesetze, explizite und verbindliche Regeln. Ich schlage keine Art von Bekehrung o.ä. vor, sondern eine ausdrückliche Zustimmung zu den "Verfahren legitimer Rechtsetzung und Machtausübung" (Habermas) eines liberal-pluralistischen Rechtsstaats zur Bedingung für einen Daueraufenthalt dort zu machen zu machen.
  • Alle Aspekte des Geisteslebens (linke Quadranten) sind davon unberührt. Auch das ist von jedem Menschen ausdrücklich anzuerkennen, der dauerhaft in einem Rechtsstaat leben will: dass insbesondere Religion Privatsache ist; dass im Geistesleben eines Rechtsstaats (Meinungsäußerung, Schulen, Medien, Künste…) Freiheit herrscht und keine Einschränkung dieser Freiheit geduldet wird.
  • Voraussetzung dafür ist, dass zumindest den politischen Entscheidungsträgern in Europa der Unterschied zwischen diesen beiden Sphären klar ist: dass es in der Auseinandersetzung mit einem universalistischen Islam nicht die Durchsetzung der "europäischen Wertegemeinschaft" das Thema ist, dass nicht die "christlich-abendländische Kultur" verteidigt werden soll (gegen den Islam), sondern dass es dabei ausschließlich um die Rechte und Pflichten jedes Staatsbürgers geht, ohne Ansehen der Person (Gleichheitsgrundsatz des Rechtslebens).
  • Für Werte, Kultur, Religionen, für den interreligiösen / interkulturellen Dialog… – kurz: für das Geistesleben sind sachgemäß nicht Vertreter des Staates zuständig, sondern eben Vertreter des Geisteslebens. Je mehr sich der Staat hier einmischt, desto mehr macht er sich zur Zielscheibe der Aggressionen jener Menschen, die er in ihrer religiösen Freiheit beschneidet. Das sollte die alleinige Verantwortung und Aufgabe von Vertretern der Religionsgruppen und der Zivilgesellschaft sein. Auch aus der Auswahl dieser Vertreter sollte der Staat sich vollkommen heraushalten und sie Einrichtungen des Geisteslebens überlassen. Einzige Bedingung von staatlicher Seite: Jene Vertreter müssen die oben beschriebenen rechtsstaatlichen Prinzipien vollumfänglich akzeptieren und weder in Wort noch in Tag in Frage stellen.
  • Dasselbe Verfahren wäre auch für Imame und andere Prediger, Priester… sinnvoll und praktikabel: Die Religionsgruppen ernennen diese autonom, unter der Prämisse, dass nur Personen für diese Ämter in Frage kommen, die ihre Rolle in der eben beschriebenen Charakteristik vorbehaltlos bejahen. Die Religionsgruppen sind für die religiösen Fragen verantwortlich, der Staat für die Einhaltung jener Prämisse. Welcher Religion diese Personen angehören, ist dabei für ihn völlig irrelevant. Für ihn sind alle gleich; niemand ist gleicher als die anderen oder weniger gleich.

Die beschriebenen Kriterien (linke / rechte Quadranten) wären noch für vieles mehr fruchtbar – vgl. FGB –, aber dieser Beitrag ist schon jetzt zu lang geworden. In diesem Sinne soll FGB ein Kompass sein, eine sachgemäße Orientierung für Entscheidungen im Geistes-, Rechts- und Wirtschaftsleben, jenseits ideologischer und parteipolitischer Schubladen. Das Grundprinzip – von Rudolf Steiner vor einem Jahrhundert aufgezeigt – ist einfach, seine Umsetzung – wie das Leben überhaupt – etwas komplizierter… :-)


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ZUR VERTEIDIGUNG DES RECHTSSTAATS

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Am 19. Februar 2025 haben sechs Bürgerrechtsorganisationen eine gemeinsame Erklärung zur anstehenden Bundestagswahl veröffentlicht: "Gegen die Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat!" Die dort geäußerten Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit teile ich ohne Einschränkung: die Infragestellung der Grund-/Menschenrechte, martialische Law-and-Order-Forderungen, exekutiven Ungehorsam (also die Strategie, Gerichtsentscheide schlicht zu ignorieren)

By Hanspeter Rosenlechner