DAS KLIMAKATASTROPHENREZEPT

Wenn die Klima-Aktivisten das Gegenteil von dem erreichen wollen, was sie anstreben, dann brauchen sie nur genauso weiterzumachen wie bisher. Oder aber sie durchschauen die systemische Logik und setzen einen anderen, weitaus wirkmächtigeren Hebel an: bei den Wahlen.

DAS KLIMAKATASTROPHENREZEPT

Weltweit bewertet lt. einer repräsentativen Umfrage ein Großteil der Menschen die Klimakrise als Notstand:

Eine große Mehrheit der Menschen weltweit sieht ihren Lebensraum durch die Klimakrise bedroht. Das ist das Ergebnis des „Peoples‘ Climate Vote“, den das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) gemeinsam mit der Universität Oxford in Auftrag gegeben hat. Fast zwei Drittel der weltweit 1,2 Millionen Befragten sagten demnach, die Welt stehe vor einem Klimanotstand. Die Forscherinnen sprachen mit Menschen verschiedener Altersklassen aus 50 Ländern, in denen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt. Es ist nach UN-Angaben die bislang größte Umfrage zur Klimakrise.
Der Studie zufolge zeigten sich besonders Menschen in Italien, Großbritannien und Japan besorgt über Auswirkungen des Klimawandels. 80 Prozent der Befragten dort äußerten Besorgnis angesichts heftiger Hitzewellen, Dürren, sintflutartigen Regenfällen und Stürmen. Frankreich, Deutschland, Südafrika und Kanada lagen in der Umfrage dicht dahinter. Dort bezeichneten mehr als drei Viertel der Befragten die Bedrohung als „globalen Notfall“.

https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2021-01/klimawandel-umweltschutz-umfrage-klimanotstand-un-entwicklungsprogramm

Schon merkwürdig: All diese Länder sind repräsentative Demokratien. Ihre Parlamente und Regierungen müssten somit ihre Bevölkerung repräsentieren. Eigentlich. Tun sie aber nicht. Weder dort noch sonst irgendwo auf der Welt. Kein Wunder, dass in Anbetracht dieser Untätigkeit in zahlreichen Ländern die Menschen auf die Straße gehen und energisch mehr Taten statt Worten einfordern. Und kein Wunder, dass ein harter Kern der Klima-Aktivisten zu drastischeren Mitteln greift, um dem Klima-Notstand Gehör zu verschaffen.

Nur blöd, dass diese Aktionen, so sehr sie sich auch steigern, immer noch nichts verändern, dafür aber zunehmend Ablehnung bei Teilen der Bevölkerung und der Medien hervorrufen. Ein Bild, das mich an Paul Watzlawick erinnert:

Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: "Meinen Schlüssel." Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: "Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster."

Finden Sie das absurd? Wenn ja, suchen auch Sie am falschen Ort. Der Vorteil ist nämlich, daß eine solche Suche zu nichts führt, außer "mehr desselben", nämlich nichts.

Hinter diesen beiden einfachen Worten "mehr desselben", verbirgt sich eines der erfolgreichsten und wirkungsvollsten Katastrophenrezepte, das sich auf unserem Planeten im Laufe der Jahrmillionen herausgebildet und zum Aussterben ganzer Gattungen geführt hat.

Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein

Ich kann den Aktivisten noch so oft vor Augen halten, dass mehr desselben – eine Ausweitung und Verschärfung der Proteste, des zivilen Widerstands, der friedlichen Sabotage… – offensichtlich nichts Anderes bringt als mehr desselben, nämlich keinen wirksamen Einfluss auf die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft.

Je unsachlicher und agitatorischer Politiker und Journalisten ihren Spin forcieren, desto mehr fühlen sich Aktivisten gezwungen, auch ihre Aktionen zu forcieren, was Politikern und Medien wiederum einen Grund gibt, noch mehr… Ausnahmen bestätigen die Regel.

In dem sich wiederholenden Verhaltensmuster des Klima-Aktivismus ist bislang nicht erkennbar, dass mehr desselben – mehr und schärfere Aktionen – etwas anderes als mehr desselben brächte, nämlich – gemessen am Notwendigen –: nichts. Die eingesetzten Mittel versagen. Systemisch gesehen ist dieses Versagen der Grund für eine weitere Steigerung der Mittel, und so fort. Je mehr Stillstand, desto mehr Aktionen, desto mehr Stillstand… Das Rezept gegen die Klimakatastrophe ist ein Katastrophenrezept.

Bei zunehmend mehr Zeitgenossen hingegen stellt sich als "unerwünschte Nebenwirkung" das Gegenteil ein: Ärger und Ablehnung, Krisenverneinung, Schuldverschiebung, Übertragung auf Sündenböck, Diffamierung der Aktivisten statt eigener Verhaltensänderungen…

Dass die Sympathisanten und Unterstützer das als psychologische Vermeidungs- und Verleugnungs-Strategien kritisieren, ändert nichts an der Ablehnung ihrer Gegner. Im Gegenteil. Noch mehr Eskalation, noch größere Radikalisierung. Mehr desselben bewirkt noch mehr desselben.

Wenn die Klima-Aktivisten also wollen, dass sie

  • nichts für das Klima bewirken und
  • nichts an der Politik verändern, dafür aber
  • den Politikern und ihren Wasserträgern in den Medien eine Möglichkeit liefern, sie zu diskreditieren und zu verteufeln, und eine willkommene Ablenkung davon, dass die Politik ihren Kurs nicht ändert,
  • ihren Rückhalt in der Öffentlichkeit verlieren und
  • der Verdrängungsgesellschaft Vorwände liefern, um weiter zu verdrängen,

kurz: wenn die Klima-Aktivisten das Gegenteil von dem erreichen wollen, was sie anstreben, dann brauchen sie nur genauso weiterzumachen wie bisher. Das Klimkatastrophenrezept "mehr desselben".

Sorry für den Sarkasmus. Aber die systemische Logik der gegebenen Verhältnisse weist m.E. nach wie vor nur in eine Richtung: Mehr desselben bringt nur mehr desselben. (Sollte ich mich irren, bin ich dankbar für Hinweise auf systemrelevante Fakten und Entwicklungen, die ich übersehen oder falsch eingeschätzt habe.) Darum zerreißt es mir das Herz, so viel Idealismus und Mut (meiner Überzeugung nach) verpulvert zu sehen.

Also, Plan A: noch mehr desselben, und dann NOCH MEHR DESSELBEN, in der Hoffnung, doch noch einen sozialen Kipppunkt zu erreichen.

Oder ihr durchschaut die systemische Logik, dass dieses Katastrophenrezept paradoxerweise weniger ein Rezept gegen die Katastrophe ist, sondern mglw. sogar noch zur Katastrophe beiträgt. Dann folgt daraus Plan B: Wir setzen den Hebel wo anders an, wo er wirklich was bewegen wird: bei den Wahlen. Jede gewählte Legislative ist durch Macht und durch Geld korrumpierbar. Dann repräsentiert sie nicht mehr die, die sie repräsentieren müsste. Jede ausgeloste Legislative ist weder durch Macht noch durch Geld korrumpierbar. Sie ist wie ein Spiegel aller repräsentativen Umfragen, etwa der eingangs zitierten. Mit welchen Augen lest ihr sie jetzt?

Eine große Mehrheit der Menschen weltweit sieht ihren Lebensraum durch die Klimakrise bedroht. Das ist das Ergebnis des „Peoples‘ Climate Vote“, den das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) gemeinsam mit der Universität Oxford in Auftrag gegeben hat. Fast zwei Drittel der weltweit 1,2 Millionen Befragten sagten demnach, die Welt stehe vor einem Klimanotstand. Die Forscherinnen sprachen mit Menschen verschiedener Altersklassen aus 50 Ländern, in denen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt. Es ist nach UN-Angaben die bislang größte Umfrage zur Klimakrise.
Der Studie zufolge zeigten sich besonders Menschen in Italien, Großbritannien und Japan besorgt über Auswirkungen des Klimawandels. 80 Prozent der Befragten dort äußerten Besorgnis angesichts heftiger Hitzewellen, Dürren, sintflutartigen Regenfällen und Stürmen. Frankreich, Deutschland, Südafrika und Kanada lagen in der Umfrage dicht dahinter. Dort bezeichneten mehr als drei Viertel der Befragten die Bedrohung als „globalen Notfall“.

Rhetorische Frage: Welche Entscheidungen wird eine Legislative treffen, deren repräsentativ ausgeloste Mitglieder 1:1 diese repräsentative Umfrage widerspiegeln? 🤔


Mehr zum Thema letztens hier: https://socialkairos.wordpress.com/2022/11/08/gewalt/ Die beiden Beiträge ergänzen einander.

Read more

ZUR VERTEIDIGUNG DES RECHTSSTAATS

ZUR VERTEIDIGUNG DES RECHTSSTAATS

Am 19. Februar 2025 haben sechs Bürgerrechtsorganisationen eine gemeinsame Erklärung zur anstehenden Bundestagswahl veröffentlicht: "Gegen die Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat!" Die dort geäußerten Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit teile ich ohne Einschränkung: die Infragestellung der Grund-/Menschenrechte, martialische Law-and-Order-Forderungen, exekutiven Ungehorsam (also die Strategie, Gerichtsentscheide schlicht zu ignorieren)

By Hanspeter Rosenlechner