#METOO: NICHTS WIRD SEIN WIE ZUVOR

Es ist unglaublich. Buchstäblich; es ist nicht zu glauben. Aber der Reihe nach.
In einer äußerst authentisch wirkenden Aussage belastete gestern die Professorin Christine Blasey Fords den Kandidaten für das Höchstrichter-Amt Brett Kavanaugh. Er sei in den 80er Jahren über sie als Fünfzehnjährige hergefallen und habe sie fast vergewaltigt. Seitdem leide sie an den Folgen dieses Übergriffs. So weit, so schlecht.
Die republikanischen Senatoren gaben dessen ungeachtet einer nach dem anderen bekannt, trotzdem für die Ernenneung Kavanaughs zum Höchstrichter zu stimmen. Unter ihnen auch Senator Jeff Flake. Der kurz darauf im Lift zwei aufgebrachten Frauen in die Hände lief, die sich ebenfalls aus Opfer sexueller Übergriffe outeten und ihm sein Verhalten unter Tränen zum Vorwurf machten. Flakes Betroffenheit und Verlegenheit ist ihm in dem Video deutlichst anzusehen. Man kann sagen, die beiden haben es ihm richtig gegeben; er stand nicht nur physisch mit dem Rücken zur Wand, ohne eine Möglichkeit zum Entkommen. Er musste sich die Vorwürfe von Anfang bis Ende anhören. Mehr als fünf Minuten lang, fünf endlose Minuten…
Allein diese Konfrontation wäre einen anhaltenden Applaus wert. Wo hätte es so etwas vor einem Jahrzehnt gegeben?! Man könnte sich ein derartiges Selbstbewusstsein, einen solchen Mut, eine solche "Respektlosigkeit" ohne #metoo nicht vorstellen. Schon das Wort "Respektlosigkeit" impliziert, dass man einem Senator a priori Respekt und Zurückhaltung schuldet und ihn keinesfalls so grob angehen darf. Doch diese Frauen waren nicht respektlos; sie wussten, dass Flake mit seiner Ankündigung, einen solchen Menschen ungeachtet der im Raum stehenden Vorwürfe zu unterstützen einen Gutteil seines Anspruchs auf Respekt verspielt hatte. Wer so etwas tut, dem darf, dem muss man mit harten Bandagen kommen.
Doch die Geschichte ist mit dem Schließen der Aufzugtüren nicht zu Ende. Wie sich später herausstellte, war Flake unter dem schockierenden Eindruck dieser Konfrontation nicht mehr bereit, die Ernennung Kavanaughs einfach wie alle seine Kollegen aus zynischem Politik-Opportunismus abzunicken: Er stimmte zwar zu, aber nur unter der Bedingung, dass das FBI eine Woche Zeit bekäme, die Vorwürfe zu untersuchen (was die Republikaner, ebenfalls aus zynischem Politik-Opportunismus, wiederholt abgelehnt hatten).
Jetzt darf gejubelt werden. Auch wenn die Geschichte am Ende schlecht ausgehen wird. Nicht nur, dass jene beiden Frauen die Eier(stöcke) hatten, Flake ihre Meinung knallhart ins Gesicht zu sagen: sie haben sogar etwas damit bewirkt! Sie haben zwar nicht erreicht, dass Kavanaugh abgelehnt wurde, aber sie haben erreicht, dass die Entscheidung vertagt und das FBI mit der Untersuchung der Vorwürfe beauftragt wurde. Das ist ein Wendepunkt, den man nicht vorbeigehen lassen sollte, ohne ihn in seinem ganzen Gewicht zu würdigen. Egal wie es am Ende ausgeht.
Denn so etwas ist noch niemals in der Geschichte geschehen. Seit die Menschheit existiert, waren die Frauen nicht gleichberechtigt mit den Männern, mussten sie sich der Männerherrschaft unterordnen, konnten sie nichts dagegen tun. Diese Zeit ist abgelaufen, und sie wird nie, niemals wiederkommen. Die Uhren drehen sich nicht zurück. Leute, wir sehen gerade einem gesellschaftlichen Evolutionssprung zu, einer sozialen rEvolution (vgl. meinen früheren Essay zum Thema #metoo)!
Das ist ein Grund zu Feiern. Hoch die Gläser! Und dann, liebe Leute: weitermachen!