PANAMA, PARADISE (UND KÜNFTIGE) PAPERS: WENN DAS SYSTEM DAS PROBLEM IST, KANN NUR EINE SYSTEMÄNDERUNG DIE LÖSUNG SEIN.
So sehr ich die diesbezügliche Arbeit des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), der Süddeutschen Zeitung… schätze, und so richtig und wichtig ich die Veröffentlichung der Paradise Papers finde:
Glaubt jemand ernsthaft, dass sich dadurch etwas grundlegend ändern wird? Eben. Ein paar Köpfe werden rollen, bestenfalls ein paar Gesetze etwas verschärft werden, und im Großen und Ganzen wird alles beim Alten bleiben. Weil es System hat. Weil es ein System ist. Und so lange das System unangetastet bleibt, wird es immer wieder die selben Symptome hervorbringen. Darum gilt hier wie überall: DAS SYSTEM IST DAS PROBLEM, das eigentliche Problem.
Um den Unterschied anhand eines aktuellen Beispiels zu verdeutlichen: Wären die sexuellen Übergriffe mächtiger Männer „nur“ individuelle Entgleisungen von Menschen ohne moralischen Kompass, wäre das schon schlimm genug. Sogar wenn es verbreitete Verfehlungen wären (wie es eben auch sonst welche irgendwo zwischen Legalität und Strafbestand gibt), wären das – gehäufte – Einzelfälle. Verfolgt, geahndet, und die Sache hat sich. Aber das eigentliche Problem dabei ist das System, das Menschen in eine solche Machtposition bringt, dass sie sich Schwächeren gegenüber erlauben können was sie wollen – insbesondere Frauen gegenüber, und insbesondere in sexueller Hinsicht (siehe Weinstein). Das System der Machtanhäufung und Machtausübung in Politik, Wirtschaft, Kultur…, also in der ganzen Gesellschaft.
Dieses System besteht darin, dass die Mächtigen dieser Welt (d.h. vor allem Männer) die Spielregeln beeinflussen, wo nicht gar selbst schreiben können, die für sie eigentlich die Leitplanken ihres Verhaltens sein müssten. Das ist das eigentliche Problem. In FGB habe ich es eingehend analysiert (und Lösungswege aufgezeigt). Hier nur als Skizze:
Unser politisch-wirtschaftliches System führt nicht nur aufgrund der Charakterschwächen einzelner Personen, sondern aus sich heraus zur Akkumulation von Geld und Macht (ich nenne sie in FGB deshalb „GeldMacht“) weil es so konstruiert ist. Von Männern mit GeldMacht. Um ihre GeldMacht abzusichern und zu vergrößern. Was – wiederum nicht aufgrund persönlicher Schwächen, sondern systemisch – zu einem Filz von Wirtschaft (Geld) und Politik (Macht) führt, bis hin zu kompletter Korruption. In jedem Fall jedoch können die politischen und wirtschaftlichen Eliten es sich immer richten. Manchmal kommt das ans Tageslicht, so wie bei den Panama und Paradise Papers (weitere Papers werden deshalb auch unweigerlich folgen), größtenteils nicht. Der vermeintliche Skandal und die pflichtschuldige Empörung sind nur geheuchelt: Eigentlich wissen es ja alle; es gibt sogar eine ganze Latte von hochwertigen Büchern darüber. Jeder der es wissen will, kann es wissen. Aber man mag es eigentlich gar nicht mehr wissen – so frustrierend sind die Fakten, und so niederschmetternd ist das Gefühl der Ohnmacht gegenüber diesem System.
Aber man kann es ändern, wenn man es durchschaut und sich nicht scheut, den Hebel dort anzusetzen wo er wirklich eine Wirkung entfaltet. Dafür ist zu allererst notwendig, sich nicht mehr mit symptomatischen Lösungen zufrieden zu geben. Symptomatische Lösungen sind immer Scheinlösungen wie gegen Entzugssymtpome Drogen zu nehmen oder sich Geld zu borgen, um seine Schulden zu bezahlen. Scheinlösungen beseitigen das Symptom, tragen aber nichts zur Lösung bei, sondern erschweren diese im Gegenteil sogar weil sie die notwendigen Maßnahmen zu vermeiden helfen. Es braucht grundlegende Lösungen, d.h. solche, die das System verändern, welches jene Symptome in verschiedenster Form immer wieder hervorbringt.
Es ist hier nicht der Platz, um diese Lösungen auszubreiten, aber so viel sei gesagt: Sie bestehen z.B. nicht in billiger Polemik gegen die Eliten, die letztlich nur darauf zielt, ihre Stelle einzunehmen. Die Populisten wollen das System nicht verändern, sie wollen selbst dessen Nutznießer sein, wie man während der schwarz-blauen Regierung (Schüssel/Haider) in Österreich gesehen hat und wie man überall erlebt, wo die vormaligen Systemkritiker die Posten derer eingenommen haben, über die sie früher hergezogen sind. Ob rechts oder links ist egal: das System ist das Problem. Und dieses gilt es grundlegend zu verändern. Das ist nur so lange unmöglich als wir glauben, es sei unmöglich. Und so lange wir uns nicht – jenseits bisheriger Ideologien und Partei-Dogmen – zusammentun, um es zu verändern. Gehen wir‘s also an.
Nachtrag, 1 Jahr später: Wie vorhergesehen, hat sich nichts gebessert.
[Diese in kürzeren Abständen erscheinenden Beiträge setzen sich mosaikartig zu einem neuen Gesamtgesellschaftsmodell zusammen. Sie sollen dessen organische Konsistenz und universelle Anwendbarkeit zeigen. Ihr eigentlicher Sinn und Zweck ist jedoch die Umsetzung dieses Modells – im Kleinen wie im Großen. Dafür müssen Sie weiter verbreitet werden. Vielen Dank im Voraus!]