RESILIENZ – „Man muss sie schön am Glühen halten.“
Ein neues Modewort löst gerade das ach so negativ besetzte Burn-Out-Thema ab: Resilienz. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass jemand noch nicht in den Medien darüber gestolpert ist: Vom lat. resilire (zurückspringen, -prallen) kommend, wurde die physische Elastizität in dern 70er Jahren als Metapher auf die Psychologie übertragen. Wer vom Leben überrollt wurde wie eine Comicfigur von einer Straßenwalze und wie sie wieder aufsteht, sich in Form schüttelt und weitermarschiert als ob nichts gewesen wäre, der gilt seitdem als „resilient“.
„Man muss sie schön am Glühen halten.“
Weil das natürlich eine tolle Eigenschaft ist, haben sie auch die Human-Resource-Manager entdeckt, und mit ihnen ihr Tross von Beratern und Trainern. Unter dem Vorwand, die Gesundheit und psychologische Robustheit der Mitarbeiter als wertvollstes Gut erhalten zu wollen geht es ihnen freilich nicht um dieses per se, sondern als Ressource. In einem gnadenlosen Kampf aller gegen alle, in Arbeitsverhältnissen, die in die Erschöpfung und Krankheit treiben müssen wird nicht gefragt: „Wie können wir diese Verhältnisse so ändern, dass es den arbeitenden Menschen gut geht?“, sondern: „Was können wir mit den Leuten noch anstellen, damit sie diesem Druck noch eine Weile länger standhalten und Höchstleistungen erbringen, ohne zusammenzubrechen?“. Oder wie eine HR-Managerin letzten Sommer zu uns sagte: „Das dient alles nur dazu, die Leute auf Rotglut zu halten. Weniger hieße, dass sie unterm Leistungs-Maximum bleiben; mehr würde sie verbrennen. All diese Burnout-Präventions-, Resilienz- und ähnlichen Trainings sollen ihnen nur das Gefühl geben, unterstützt und gefördert zu werden. Aber eigentlich geht es nur darum, sie durch diese Überzeugung schön am Glühen zu halten.“ Welch passende Metapher. Wie der coole Manager-Spruch: „Wer noch nie im Burn-Out war, hat nie für seinen Job gebrannt.“
Es ist ein zynisches Spiel wie in dem Märchen vom Hasen und vom Igel, in dem der Hase in einem getürkten Wettlauf von zwei Igeln zu Tode gehetzt wird – im Glauben, es sei nur einer, der immer vor ihm am Ziel sei („Ich bin schon da!“).
Wir werden nicht auf-, sondern zugerichtet.
Wenn dir dein Körper und deine Seele entgegenschreien: „Stopp! So kann es nicht mehr weitergehen!“, dann heißt es: „Kusch! Weitermachen!“ Die Menschen werden vom Kleinkindalter an nicht auf-, sondern zugerichtet. Zum Runterschlucken, nicht zum Fragen. Zum Funktionieren, nicht zum Verändern. Sie werden dazu erzogen, nicht auf ihren Körper und ihre Seele zu hören (und letztere am besten überhaupt zu verleugnen; das macht das Ignorieren ihrer Signale noch leichter). Und wenn eines Tages dein Körper und deine Seele so sehr rebellieren, dass sie nicht mehr ignoriert werden können, wenn du die Erschöpfung nicht mehr kompensieren kannst und deine Leistung einbricht: nun, dann darfst du nicht auf Verständnis, Wertschätzung, Rückhalt und Solidarität hoffen; dann wirst du – wie alles Ausgebrannte und Wertlose – auf den Müll geworfen. Du bist vom Arbeitsmarkt verdaut und – sagen wir es höflich – ausgeschieden.
Es ist das gleiche Thema wie schon früher. Die Arbeitsverhältnisse mögen noch so un-menschlich werden: es wird keine grundlegende Lösung gesucht, sondern man stürzt sich auf der unausgesetzten Flucht nach vorn auf jede billige Scheinlösung, die verspricht, die Symptome zu beseitigen oder zumindest zu lindern. Nicht die Arbeitsverhältnisse werden an den Menschen angepasst, sondern der Mensch an die Arbeitsverhältnisse – so als ob das ein Naturgesetz wie die Erddrehung wäre. Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt der Wirtschaft, sondern das Geld.
Gestern verfing sich mein Blick bei einen ZEIT-Artikel:

Ja, wo bleibt sie nur, die Wut? Die Wahlen der letzten Jahre scheinen mir eine überdeutliche Antwort zu sein, wo sie bleibt. Der Siegeszug der Rechts- und Linksradikalen in ganz Europa (incl. dem US-Wahlergebnis vor einem Jahr) sind die Rechnung für zahllose symptomatische Lösungen, um den grundlegenden Lösungen aus dem Weg zu gehen; Klartext: um der GeldMacht dieser Welt nicht auf die Zehen zu treten. Aber um Himmels Willen, wer hat die Systeme geschaffen, denen wir uns wie einem Naturgesetz unterwerfen? Wer, wenn nicht wir selbst? Und warum sollen wir sie dann nicht jederzeit verändern können?
Zugegeben: Jeder für sich allein wird nicht viel ausrichten. Und als Einzelner bekommt er sofort zu spüren, wie das System auf Sand im Getriebe reagiert. Vor allem wird er als Einzelner nicht das System verändern.Doch darauf kommt es an, wenn die Last nicht weiterhin auf jedem Einzelnen lasten soll. Und damit sich ein System verändert, ist ein Paradigmenwechsel nötig, eine Verwandlung der herrschenden Grundüberzeugungen und -werte. Die Reihenfolge ist:
- ein Paradigmenwechsel; der führt
- zu systemischen Veränderungen, und diese bewirken
- positive Veränderungen im Lebensbereich jedes Einzelnen.
Alle nötigen Details finden sich in FGB.
Packen wir‘s an.
(Gemeinsam mit Eva-Maria Rosenlechner verfasst)