ES IST ZEIT FÜR EINE SOZIALE rEVOLUTION

Das eine oder andere Feedback auf diese Blog-Beiträge und auf FGB zeigt, dass die eine oder andere Klarstellung bzgl. ihrer Intentionen sinnvoll ist. So meinte ein Leser, sie seien bloß eine weitere, auf dem Reißbrett entworfene Utopie, fern der derzeitigen gesellschaftlichen Realität. – Treffender hätte man kaum sagen können, was sie nicht sind.

Denn was ist eine Utopie? Natürlich, man versteht darunter einen "undurchführbar erscheinenden Plan", eine "Idee ohne reale Grundlage", ein Synonym für "Unwirklichkeit", "Traumgebilde", "Kopfgeburt", "Zukunftstraum"… (Duden). Der polemische Unterton ist dabei nicht zu überhören. Ein "Utopist" ist ja auch ein weltfremder Träumer, der irgendwelche Phantastereien ausspinnt und nicht merkt, dass sie fern jeder Realisierbarkeit sind. Er ist das Gegenteil eines Realisten.

T.I.N.A.

Nun sind aber in den letzten Jahren die sogenannten "Realisten" auch etwas in Misskredit geraten. Denn "Realismus" – das Machbare vom Utopischen klar unterscheiden zu können und sich darauf zu beschränken – läuft faktisch auf Stagnation hinaus. Keine Erneuerung ist jemals von jemandem gekommen, der seine Phantasie von vornherein auf das eingegrenzt hat, was ihn naheliegend und machbar schien. Mehr und mehr Menschen sind derzeit mit dem gesellschaftlichen Status quo unzufrieden und wünschen sich Veränderungen. Was sie deshalb am meisten auf die Palme bringt, ist die Entgegnung, dies alles sei "alternativlos". So erklärte schon Margaret Thatcher ihren radikal-neoliberalen Kurs für den einzig möglichen: "There is no alternative" (T.I.N.A.).

Je mehr den Bürgern eingeredet wird, dass die derzeitigen Verhältnisse "alternativlos" seien, desto mehr Widerstand regt sich gegen diese Einengung, und desto mehr wächst die Bereitschaft, sich für radikale "Alternativen" zu öffnen. Was ein Gutteil des politischen Erfolges der "Alternative für Deutschland" und anderer populistischer Parteien erklärt, so nach dem Motto: "Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist!" (O-Zitat des damaligen FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer.)

In einem Klima der gesellschaftlichen Stagnation haben ergo auch Utopien wieder Aufwind. Die aktuelle Ausgabe von Futurzwei ist dem Thema Utopien gewidmet, und Herausgeber Harald Welzer schreibt im Editorial: "Scheiß auf die Rechten. Unser Problem ist, dass wir uns zu wenig Utopie zumuten, die wir aber brauchen, um Menschen auf dem zivilisatorischen Pfad zu halten, die verwirrt, müde, überfordert und abgelenkt sind." Mut zu Utopien! ist also nun bei all jenen angesagt, die sich mit dem alternativlosen Auf-der-Stelle-Treten nicht abfinden wollen. Kein Wunder, dass deshalb auch die untoten linken Utopien wieder vermehrt Zuspruch bekommen – ungeachtet der -zig Millionen Toten, die diese Utopien im letzten Jahrhundert gekostet haben. "Das waren ja nur Abirrungen; der wahre Sozialismus wurde noch gar nie verwirklicht, dem muss man noch eine Chance geben!" So oder ähnlich die beschwichtigende Argumentation. Blöderweise ist sie blind für das eigentliche Problem aller Utopien (vgl. dazu meinen früheren Beitrag, den ich nun um einen neuen Aspekt ergänzen möchte).

UTOPIA

Nehmen wir als Beispiel Thomas Morus' Utopia aus dem Jahr 1516 – es ist weniger verfänglich als aktuellere, z.B. sozialistische Utopien. In diesem Essay stellt Morus im Kleid eines fiktiven Reiseberichts eine Insel dar: Utopia. Sie ist, wie das Griechische ou-tópos sagt, ein Nicht-Ort, inexistent. Der vollständige Titel des Werks – „Vom besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia“ – spricht aus, dass Morus damit einen Idealstaat darstellen wollte. Die entscheidende Frage, die nirgends gestellt wird ist: Aufgrund wovon? Aufgrund welcher Grundannahmen, Überzeugungen, Werthaltungen usw.? Diese liegen unausgesprochen Morus' Utopia zugrunde, ebenso James Harringtons utopischem Werkt Oceana or The Commonwealth of Oceana (1656) und allen folgenden Utopien. Wer die jeweiligen impliziten Grundannahmen, Überzeugungen, Werthaltungen… teilt, stimmt auch ihren (utopischen) Umsetzungen zu, wie sie in jenen Werken "beschrieben" werden. Wer z.B. in Liberalität einen gesellschaftlichen Grundwert sieht, sieht in allen Anwendungen dieser seiner Überzeugung ein erstrebenswertes Ziel. Für wen soziale Gerechtigkeit der oberste Wert ist, kann sich mit sozialistischen Utopien identifizieren, und so fort. Man könnte so sämtliche Utopien durchchecken, welche unausgesprochenen oder ausgesprochenen Sympathien und Abneigungen ihre Autoren hegten, dass sie just zu diesen oder jenen Vorstellungen einer Idealgesellschaft gelangten. Und von da her ist auch nachvollziehbar, dass nach einem jahrzehntelangen Siegeszug des Wirtschaftsliberalismus das Pendel nun in die andere Richtung ausschlägt und Sozialutopien wieder Hochkonjunktur haben. Menschen, die die sozialen Folgen des Neoliberalismus erkennen suchen eben nach Alternativen, und mit linken Gerechtigkeitsutopien können sie sich identifizieren.

Nun lässt sich trefflich über soziale Grundwerte und ihre Gewichtung streiten. Wie auch immer man sich zu dieser oder jener gesellschaftlichen Weltanschauung stellt: Ausnahmslos jede Utopie geht von solchen grundlegenden Überzeugungen aus. Deren Verfasser konstruieren also quasi als "Verkörperung" ihrer Weltanschauungs- und Wertesysteme ideale Regierungsformen, Gesetze, gesellschaftliche Regeln usw. Aber was heißt "ideal"? Ideal für wen? Ideal für "eure Müden, eure Armen, / Eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren" (Emma Lazarus)? Ideal für die 99% oder doch lieber für das 1%? Ideal für die Freiheitsliebenden oder für dich Sicherheitsbedürftigen? Ideal für die Gewinner oder für die Verlierer unserer Gesellschaft? Ideal für jene, die soziale Vielfalt als Bereicherung, oder für jene, die sie als Bedrohung empfinden? Etc. etc. Die Auflistung ließe sich endlos fortsetzen, aber diese paar Beispiele reichen, um klar zu machen, dass man es nicht allen recht machen kann. Dass jede, ich betone: jegliche Utopie nicht den Idealstaat "an sich" darstellt – den gibt es nicht! –, sondern den Idealstaat für… (und nicht für…). Der Staat, der sich aus jeglicher sozialen Verantwortung und wirtschaftlichen Regulierung zurückzieht und die gesamte Verantwortung den Bürgern selbst auflädt ist ein Idealstaat – für die Wenigen, die von solchen Verhältnissen profitieren. Er ist es ganz und gar nicht für die Masse der Menschen, die dabei unter die Räder kommen. Und so weiter und so fort.

JEDE UTOPIE IST TENDENZIELL TOTALITÄR

Jede Utopie ist eine – mehr oder weniger bewusste – Projektion der Grundwerte und -überzeugungen ihres Autors nach außen, auf die Gesellschaft. Sie ist der Versuch, die eigenen Überzeugungen gesellschaftlich umzusetzen. Darum birgt jede Utopie den Keim zum Autoritären in sich. Wie vieles gut Gemeinte läuft sie auf das Gegenteil von gut hinaus. Alles, was ein (1) Mensch oder eine Gruppe Gleichgesinnter sich für die Gesellschaft ausdenkt, lässt das Wichtigste außer Acht: den gesellschaftlichen Willen aller anderen. Es ist sozusagen ein perfekt vorbereiteter Frontalunterricht, der das Wichtigste vollkommen ignoriert: eben die Schüler, für die man im besten Glauben meint, so das Beste zu erreichen. Die Folge: eine Klasse, die einschläft bzw. den Aufstand probt und Kopf steht. Gesellschaftlich ist es dasselbe. Niemals, nie und nimmer kann sich ein (1) Mensch oder auch eine Gruppe von Menschen für alle anderen das Beste ausdenken! Diese Tatsache im Überschwang der Begeisterung für die eigenen Überzeugungen zu ignorieren und über Menschen mit anderen Überzeugungen und Werthaltungen drüberzufahren ist darum ein Grundmerkmal aller Utopisten, wenn sie ihr ausgedachtes Konstrukt ins Werk setzen. Jede Utopie ist tendenziell autoritär, oder noch schlimmer: totalitär.

Es gibt einen griechischen Mythos von einem riesenhaften Wegelagerer namens Prokrustes. Er hatte die unerfreuliche Gewohnheit, seine Opfer in ein Bett zu zwingen und alle überstehenden Glieder abzuschlagen bzw. zu kurze mit Gewalt auf die Länge des Bettes zu strecken. Jede Sozialutopie ist ein solches Prokrustesbett. Sie blendet aus und beschneidet, was nicht in sie hineinpasst, und streckt die Realität – d.h. die Menschen! – auf die Maße ihrer eigenen Beschränktheit. Denn kein Mensch kann wissen, was für andere Menschen gut ist. Und bildet er es sich dennoch ein, dann ist der nächste Schritt dieser Hybris die Vergewaltigung der Wirklichkeit: was nicht passt, wird passend gemacht. Die zig-millionenfache Blutspur der rechten und linken Utopien im 20. Jahrhundert sollte dafür Beweis genug sein. Eines weiteren bedarf es nicht; vielen Dank. Davor mögen die Götter oder das Schicksal oder was auch immer uns bewahren.

DAS EINZIG REAL(ISTISCH)E: DIE GESELLSCHAFTLICHEN GRUNDBEDÜRFNISSE

Ich teile also die Abneigung meines eingangs zitierten Kritiker gegen alle auf dem Reißbrett entworfenen Gesellschaftsutopien aus vollster Seele. Warum ist es aber dennoch ein Missverständnis, auch von dem in FGB umrissenen Gesellschaftsmodell zu glauben, es sei eine Utopie?

Weil ich mir nicht einbilde, zu wissen, was – meinen Überzeugungen und Werten nach – gut für alle anderen ist. Weil ich zwar zur Unterstützung der Phantasie der Leser konkrete Strukturen beschreibe, aber diese nicht als obligatorisch erachte. Ich möchte keine so und so beschaffene Gesellschaft ins Werk setzen; ich möchte Verhältnisse beschreiben, unter denen die Bürger selbst erkennen und umsetzen können, was gut für sie ist. Verhältnisse, in denen die Menschen erstmals ihre gesellschaftlichen Grundbedürfnisse realisieren können. Denn das einzig Reale und somit das einzig Realistische sind die gesellschaftlichen Grundbedürfnisse jedes Menschen: FREIHEIT– Gedankenfreiheit, Redefreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit…, GLEICHHEIT als Grundlage aller zwischenmenschlichen Vereinbarungen und Gesetze, und BRÜDERLICHKEIT – das größtmögliche Wohl der größtmöglichen Zahl.

Sie sind freilich nicht bei allen Menschen gleich ausgeprägt. Für den einen ist seine Freiheit ein elementares Bedürfnis, für jemand anderen das Gemeinwohl, wieder für jemand anderen Gerechtigkeit… Aber ich behaupte – und der ganze erste, analytische Teil von FGB belegt das –, dass diese Grundbedürfnisse allgemein-menschlicher Natur sind.

Hier ist der Einwand zu erwarten, dass ich mit dieser Aussage doch in genau die Fußstapfen trete, die ich oben verpönt habe: dass ich mir anmaße zu wissen, was gut für die anderen ist, und davon eine utopische Gesellschaft ableite. – Dieser Vorwurf ist a priori unwiderlegbar, denn wie sollte ich das Gegenteil beweisen? Es sei denn durch den Hinweis darauf, was passiert, wenn diese von mir unterstellten Grundbedürfnisse nicht beachtet oder bestimmte Gesellschaftsverhältnisse ihre Erfüllung unterdrücken. (Hier kann das in FGB Ausgeführte nur kurz angerissen werden, aber jeder, der die Nachrichten verfolgt kann Tag für Tag weitere Beispiele finden.)

  • Wo immer die Menschen durch die Verhältnisse (von Regierungen, von Bevölkerungsmehrheiten…) daran gehindert werden, ihre Religion / Kultur / Traditionen zu leben, ihre Muttersprache zu sprechen, ihre Meinung zu äußern, kurz: wo immer das Leben des Geistes sich nicht frei entfalten kann, gären Konflikte, die früher oder später explodieren. Der Nationalismus ist kein Impuls per se nationalistischer Menschen, sondern ihre Reaktion auf Verhältnisse, die sie in jenen Belangen einengen, diskriminieren, unterdrücken… Daher ist es nicht ausgedacht, sondern an der Realität abzulesen: Je freier das geistige Leben sich entfalten kann, desto weniger religiöse, ethnische, nationalistische… Konflikte gibt es. Freiheit des Geisteslebens ist das erste gesellschaftliche Grundbedürfnis. Darum haben alle Gesellschaften, wo den Bürgern das möglich ist ein liberales, pluralistisches Geistesleben bereits erreicht und verfassungsmäßig verankert. Ich behaupte also nicht, das Rad ein zweites Mal zu erfinden; ich weise auf reale gesellschaftliche Bedürfnisse hin, um diese in ihrer ganzen Bedeutung bewusst zu machen.
  • Wo immer den Menschen aufgrund ihrer religiösen, kulturellen, ethnischen, sexuellen… Identität diskriminiert werden, werden ihnen Rechte vorenthalten, die für alle Menschen gleich gelten müssen. Allgemeiner gesagt, wo immer das Prinzip der Gleichheit im Rechtlichen missachtet wird, wird das elementare Gerechtigkeitsgefühl der Menschen verletzt. Menschenrechte gelten für alle Menschen gleich – sonst hießen sie ja nicht so. Wenn aufgrund irgendwelcher Wo "alle gleich, aber manche gleicher sind", wo Recht käuflich ist, wo durch die geistigen oder ökonomischen Verhältnisse einem Teil der Bürger ihre Menschenrechte nicht vollumfänglich zugestanden werden, kurz: wo das Gleichheitsprinzip im Rechtlichen mit Füßen getreten wird, begehren die Menschen dagegen auf. Soziale Verhältnisse, die auf Ungleichheit bauen, bauen auf einer Zeitbombe. Die gesellschaftliche Koexistenz verläuft umso friedlicher, je konsequenter das Gleichheitsprinzip im Rechtlichen auf alle Menschen Anwendung findet, ohne Ansehen ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer Religion, irgendwelcher Gruppenzugehörigkeiten, ihres Vermögens etc. etc. – Auch das ist im Prinzip nichts völlig Neues, aber tagein, tagaus wird dieses Prinzip verletzt, sodass Konflikte ständig genährt werden. (Oder, heute am Weltfrauentag gefragt: Warum gibt es nach wie vor massive Einkommens-Benachteiligungen für Frauen? Diskriminierung? #metoo? Warum, wenn nicht das Gleichheitsprinzip bzgl. Frauen wider besseres Wissen von den Männern zu ihrem eigenen Vorteil gebeugt und ignoriert würde?)
  • Wo immer die existentiellen Bedürfnisse der Menschen nicht befriedigt werden weil die wirtschaftlichen Verhältnisse ihnen ein Einkommen vorenthalten, von dem sie in Würde leben können, da herrscht Not, Elend, Unzufriedenheit, Verzweiflung und ohnmächtige Wut… Unsere "kannibalische Weltordnung" (Jean Ziegler) ist institutionalisierte Menschenverachtung, glorifiziert als die bestmögliche Welt, wie die freien Märkte sie schaffen. Was die Anwendung des Freiheitsprinzips auf die Wirtschaft anstatt auf das Geistige für verheerende ökosoziale Folgen hat, sieht jeder, der nicht seelenblind durchs Leben geht. "Freiheit in der Wirtschaft" heißt Herrschaft des Egoismus weniger um den Preis des Elends vieler. Wirtschaftsliberalismus istFaustrecht, das faktische Recht des Stärkeren, die Schwächeren zu seinem eigenen Vorteil daran zu hindern, an dieser ihrer Situation etwas zum Besseren zu verändern. Kein Betroffener würde das erdulden, würden die Verhältnisse ihn nicht daran hindern, sein Los irgendwie zu verbessern. Je existenzieller die Bedürfnisse, desto lauter schreien sie nach wirtschaftlichen Verhältnissen, in denen sie befriedigt werden können – nicht nach moralisch-ethischer, sondern nach struktureller Brüderlichkeit im Wirtschaftlichen.

DIE GESELLSCHAFTLICHE rEVOLUTION

FREIHEIT im Geistigen, GLEICHHEIT hinsichtlich der Rechte jedes Menschen und in Strukturen gegossene BRÜDERLICHKEIT im Wirtschaftlichen sind die drei gesellschaftlichen Grundbedürfnisse jedes Menschen. Alle Verhältnisse, die diesen Grundbedürfnissen widersprechen – geistige Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Ausbeutung – provozieren Aufbegehren, Konflikte und Elend bis zu (Bürger)kriegen. Darum ist eine Gesellschaft nur dann friedlich und nachhaltig stabil, wenn ihre Strukturen auf diesen drei Grundbedürfnissen aufgebaut ist. Und es dürfte klargestellt sein, warum dies keine Utopie ist: Es ist das Realste überhaupt, hier und jetzt. Deshalb haben sich diese Bedürfnisse wiegesagt schon überall dort in Verfassungen, Gesetzen, gesellschaftlichen Normen usw. verwirklicht, wo die Verhältnisse das erlaubt haben. Was jetzt ansteht, ist sich dieser drei Impulse bewusst zu werden und sie – insbesondere im Wirtschaftlichen, wo noch der größte Aufholbedarf ist – konsequent umzusetzen.

Das ist in der Menschheitsgeschichte ein Novum. Noch immer haben sich die gesellschaftlichen Verhältnisse – Theokratie, Monarchie, Diktatur, Demokratie… – irgendwie ergeben, ohne Einsicht in jene drei Grundbedürfnisse. Wer die Macht dazu hatte, hat die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse gestaltet. Und zwar so, wie es für die Inhaber von Vermögen und Macht am besten war. GeldMacht führt zu noch mehr GeldMacht; dem können wir alle Tage zusehen. Bis das Ganze kippt – in Revolten, Revolutionen… Die gesellschaftlichen Verhältnisse waren niemals wirklich stabil weil sie nie auf den drei Grundbedürfnissen aufgebaut waren.

Im Unterschied zu bisher, wo die Verhältnisse "von selbst" entstanden sind ohne dass die Bürger davon etwas verstanden, geschweige denn darauf Einfluss gehabt hätten weisen alle ökosozialen Krisen nun auf die Notwendigkeit eines Entwicklungsschritts hin: Wenn einer genügend großen Anzahl von Menschen die drei Grundbedürfnisse bewusst werden, dann werden sie der Gesellschaft eine Struktur geben, in der Freiheit im Geistigen, Gleichheit im Rechtlich-Politischen und Brüderlichkeit im Wirtschaftlichen sich entwickeln und entfalten können. Ich spreche hier also von einem gesellschaftlichen Evolutionsschritt. Von etwas, das uralt ist – schon seit es Menschen gibt hat sich die Gesellschaft weiterentwickelt. Von etwas, das völlig neu ist – weil diese Entwicklung noch nie von Bürgern selbst initiiert wurde. Ihre Auswirkungen werden manches, was uns seit langem als normal erscheint auf den Kopf stellen. Viele werden sie deshalb als revolutionär ansehen. Aber jede Revolution ist nur die Folge davon, dass die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Evolutionsschritts nicht erkannt wurde. Sodass eines der drei Grundbedürfnisse oder mehrere sich mit Gewalt durchzusetzen versucht haben.

Die rEvolution, von der ich hier spreche wird nichts über den Haufen rennen und durch etwas anderes ersetzen, was sich irgendein Schlaumeier im stillen Kämmerlein ausgedacht hat. Die Menschen werden sich die bestmöglichen gesellschaftlichen Verhältnisse selbst nach und nach schaffen; einfach dadurch, dass sie ihre Grundbedürfnisse erkennen und ihnen folgen, die Verhältnisse wieder an sie anpassen, sodass sie sich in den optimierten Verhältnissen besser entfalten und entwickeln können, ihre Bedürfnisse noch besser verstehen können, die Verhältnisse noch besser optimieren können… – in einer endlosen zyklischen Entwicklung.

Die derzeitige "alternativlose" gesellschaftliche Stagnation wird weitere Krisen provozieren, und das umso mehr, je mehr sie die drei Grundbedürfnisse ignoriert. Mehr vom Gleichen kann nichts anderes bringen als mehr vom Gleichen. Es ist bekanntlich eine Form des Irrsinns, immer das Gleiche zu tun und zu erwarten, dass etwas anderes dabei herauskommt.

Doch auch Utopien sind keine Alternative; sie sind kein Teil der Lösung, sondern ein Teil des Problems – und das umso mehr, je mehr sie die drei Grundbedürfnisse ignorieren.

Wenn die ökosozialen Krisen nicht vermehrt und verschärft werden sollen, ist nur eines alternativlos: eine gesellschaftliche rEvolution mit dem dreifachen Kompass als Orientierung: Freiheit für das geistige Leben, Gleichheit im rechtlich-politischen, sowie strukturelle Brüderlichkeit im wirtschaftlichen Leben.

Read more

ZUR VERTEIDIGUNG DES RECHTSSTAATS

ZUR VERTEIDIGUNG DES RECHTSSTAATS

Am 19. Februar 2025 haben sechs Bürgerrechtsorganisationen eine gemeinsame Erklärung zur anstehenden Bundestagswahl veröffentlicht: "Gegen die Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat!" Die dort geäußerten Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit teile ich ohne Einschränkung: die Infragestellung der Grund-/Menschenrechte, martialische Law-and-Order-Forderungen, exekutiven Ungehorsam (also die Strategie, Gerichtsentscheide schlicht zu ignorieren)

By Hanspeter Rosenlechner